In Resonanz mit dem Wasser
Ein Gespräch mit Gero Gericke über
Körper, Vertrauen und die heilsame Kraft des Wassers
Herzlich willkommen bei Vom Leben berührt, deinem Podcast für transformative Körperarbeit. Hier kannst du nicht nur den Podcast hören, sondern auch das vollständige Gespräch mit Gero Gericke nachlesen. In dieser Episode geht es um die heilsame Kraft des Wassers, delphinische Bewegungen, Geborgenheit und das tiefe Loslassen – getragen vom Element Wasser und menschlicher Präsenz.
Gemeinsam sprechen wir über persönliche Transformationswege, Synchronmassagen, Aqua-Wellness und das Vertrauen, das im Wasser – und im Leben – wachsen kann.
Lesezeit 25 Min.
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Heute spreche ich mit Gero Gericke, einem vielseitigen Wegbegleiter. Er ist Wirtschaftsingenieur, Entwickler des AwareChair, Yogalehrer, Masseur und Bodyworker im Bereich Aqua-Wellness und Liquid Bodywork. Gemeinsam tauchen wir ein in Themen wie delphinische Bewegungsmuster, die Kraft des Wassers, heilsame Berührung, das Loslassen im warmen Wasser, persönliche Transformationsmomente – und in unsere gemeinsamen Erfahrungen, die uns seit Jahrzehnten verbinden.
Erinnerungen an die Villa Schaaffhausen
Herzlich willkommen, lieber Gero. Ich freue mich sehr, dass wir heute dieses Gespräch miteinander führen. Unsere Verbindung reicht rund 30 Jahre zurück – in eine Zeit, in der wir uns in der Villa Schaffhausen begegnet sind, dem Seminarhaus meiner Eltern im Siebengebirge in Bad Honnef am Rhein.
Damals stand ich noch als Gärtnermeisterin in Beziehung zu Pflanzen und zur Erde, bis mich ein Moment berührte: Der indische ayurvedische Arzt Dr. Shine fragte mich, ob ich die vierhändige Synchronmassage erlernen wolle? Und nach der ersten Massage war glasklar: Das ist mein Weg – durch Berührung mit dem Wesentlichen im Menschen in Beziehung zu treten.
Später hast du einmal zu mir gesagt: „Früher hast du die Pflanzen zum Erblühen gebracht – und heute sind es die Menschen!“ Ein so schöner Satz. Vielleicht magst du erzählen, wie du zur Villa gefunden hast und was dich auf deinem Weg in die Körperarbeit – und schließlich ins Wasser – geführt hat?
Gero: Hallo liebe Petra, es freut mich sehr, dass wir uns heute hier zusammengefunden haben – besonders, weil unser gemeinsamer Weg immer wieder von schönen, tiefen Begegnungen geprägt war.
Die Villa Schaffhausen – das war 1990. Mein Yogalehrer aus Darmstadt ist damals mit dem Golf II zu einem Yogalehrertreffen nach Bad Honnef gefahren, und ich bin als interessierter Iyengar-Yoga-Schüler einfach mitgekommen. Ich kam dort an – und der Ort hat mich sofort berührt. Oder besser gesagt: Ich habe mich spontan in diesen Ort verliebt.
Es war die Ausstrahlung dieses alten Gebäudes mit seinem wundervollen Naturgarten – eingebettet ins Siebengebirge, zwischen Rhein und den Bergen. Das hat mich nicht mehr losgelassen. Ich bin wiedergekommen – und geblieben.
Erste Aufgaben und der Beginn als Yoga-Lehrer
Petra: Und was war dein Aufgabenfeld? Was hast du gemacht in der Villa?
Gero: Ich war zunächst freier Mitarbeiter und habe mich dann als Referent für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit etabliert. Ich war für das Marketing, die Prospekte, die Werbung zuständig – und natürlich auch für die Betreuung im Seminarhaus. Und ich habe Yoga unterrichtet.
Inzwischen feiere ich mein 30-jähriges Jubiläum als Yogalehrer in Bad Honnef. Das ist eine schöne Geschichte. Gerade gestern Abend habe ich wieder unterrichtet – es ist jedes Mal sehr nährend. Es kommen immer wieder neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer, aber auch einige, die seit über 20 Jahren dabei sind. Das ist ein besonders schöner Aspekt dieser Arbeit.
Petra: Ein schönes Qualitätsmerkmal für dich – und auch aus gruppendynamischer Sicht sehr schön, wenn man mit Menschen so lange verbunden ist und ein gemeinsames Energiefeld im Üben entsteht. Das ist etwas sehr Besonderes.
Vom Yoga zur Körperarbeit
Petra: Wie bist du dann von der Yoga-Arbeit zur Körperarbeit gekommen – beziehungsweise: zum Wasser?
Gero: Das ist eine gute Frage. Du hast ja von Dr. Shine aus Kerala gesprochen, der irgendwann in die Villa kam und dort seine ayurvedischen Kräuterölmassagen praktizierte – und auch unterrichtete.
Ich habe mich dann ebenfalls für diese praxisnahe Ausbildung entschieden – und erinnere mich mit großer Freude an die Synchronmassagen, die wir gemeinsam gegeben haben. Ich hatte dabei immer das Gefühl, dass ein starker Fluss entstand. Es ist eine Verbindung zwischen zwei Menschen – ein Geben, um dem Empfangenden etwas Schönes zu schenken. Und es ist so wichtig, mit dem Partner oder der Partnerin in Harmonie zu sein. Das habe ich bei uns immer als sehr stimmig empfunden.
Petra: Ja, ich habe mich später dann selbstständig gemacht und irgendwann die Villa verlassen – das war 1998.
Und wir haben auch danach noch immer wieder vierhändig in meiner Praxis massiert. Ich erinnere mich besonders an die ayurvedischen Behandlungen – Stirnölgüsse, Ganzkörperölgüsse, Pizzichilli, Jambira Pinda Sveda mit Zitronen-Kokos-Säckchen. Eine sehr intensive und schöne Zeit.
Heute arbeite ich anders. Ich verwende längst nicht mehr so viel Öl – der ökologische Aspekt spielt da auch mit rein. Und ich habe gemerkt: Ich mag inzwischen mehr Halt, mehr Grip. Ich massiere heute nicht mehr vierhändig – aber damals war das eine wertvolle Erfahrung. Es war wie eine Sinfonie – ein Miteinanderschwingen und Fließen, wie du es so schön beschrieben hast. Wenn sich der Mensch hingeben konnte, war das eine tiefgehende Erfahrung.
Allerdings habe ich auch gemerkt, dass es für manche überfordernd war – die Aufmerksamkeit springt ständig zwischen zwei Personen. Das hat einige irritiert.
Ich empfinde den Kontakt zu einer Person als intensiver – und ich kann individueller auf den Flow reagieren. In der Synchronmassage ist das nur begrenzt möglich.
Gero: Klar, sie folgt einem klaren Ablauf. Aber wenn ich die Füße massiert habe, habe ich dich am Kopf wahrgenommen – wie eine Pianistin am Körper. Und gemeinsam im Fluss zu sein, hat viele tief tauchen lassen.
Wenn ich selbst eine Synchronmassage empfangen habe, war ich nach zwei Minuten nicht mehr in der Lage zu spüren, welche Hand wo war. Es wurde zu einem einzigen Ganzen – das den Körper umfangen und in eine tiefe, stimmige Entspannung geführt hat.
Geborgenheit und Tiefe im Wasser
Petra: Ja, schön. Das sind die alten Zeiten – schon lange her. Aber eine schöne Brücke zu dem, was wir heute vertiefen wollen: das Gefühl von Geborgensein und tiefem Loslassen, sich hineinsinken zu lassen. Das erleben wir auch in der Wasserarbeit – durch Bewegungen, durch Schwingungen, die sowohl in deiner Arbeit als auch in der TRAGER-Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Das Element des Fließens ist zentral. Mit Öl ist viel Fluss da – es hat eine erdende, aber auch wässrige Qualität. In der TRAGER-Arbeit ist es nochmal besonders: Der Körper wird geschwungen, gewiegt, geschwingt. Und wir bestehen ja überwiegend aus Wasser – über diese Bewegungen kommen wir mit unserem inneren Ozean in Kontakt.
Ich hatte ja vor ca. drei Wochen das Glück, bei dir eine Wasser-Session in der Therme in Bad Hönningen zu erleben – in einem Becken mit 35 Grad warmem Wasser. Es war eine unfassbar schöne Erfahrung, völlig der Schwerkraft enthoben.
Mein Körper hat sich in diesem Medium ganz neu erfahren – die Grenzen des Körpers haben sich aufgelöst, und dennoch war ich ganz gehalten. Du hast mich sehr behutsam herangeführt und alles vorher erklärt.
Zuerst lag ich auf kleinen, weichen Kissen – unter Kopf, Nacken, Knien. Gefüllt mit Mikroperlen. Ich konnte einfach liegen – auf und in diesem warmen Wasser.
Du hattest gesagt: Anfangs bleibt der Kopf über Wasser. Und irgendwann, wenn das Vertrauen da ist, kann ich untertauchen – mit Nasenklemme, damit kein Wasser in die Nase kommt. Wir hatten Zeichen vereinbart: Ich atme ein, gebe ein Signal – und du tauchst mit mir ab.
Gero: Und irgendwann brauchte es das gar nicht mehr. Ich habe gespürt, wann der Moment passt. Und du hast dich wie ein Delfin im Wasser bewegt.
Petra: Ja, absolut. Ich hatte nie Atemnot – ich habe es sogar geliebt, ganz tief unten zu sein. Selbst als du mich fast auf den Boden gedrückt hast, war es wie ein Ankommen – wie auf dem Meeresgrund.
Die Bewegungen im Wasser – das war wie ein Tanz. Spiralig, rhythmisch, dynamisch. Ich wurde getragen, gehalten, umschlossen. Es war wie im Mutterleib, im Fruchtwasser, im Ozean. Irgendwann haben sich Zeit und Raum komplett aufgelöst.
Tiefenentspannung und der Rückweg an die Oberfläche
Petra: Also das war für mich wirklich wie ein paradiesischer Zustand. Du hättest mich gar nicht mehr rausholen brauchen. Vorher hatte ich noch gedacht: So lange im Wasser sein – ist das nicht zu viel? Ich hatte früher auch mal überlegt, die Ausbildung zu machen, und dachte, wenn ich dann sechs Stunden im Wasser bin, bin ich ja total schrumpelig und aufgelöst. Aber du bist so verbunden mit dem Wasser, mit dem Element – und in dem Moment war diese Hürde einfach weg.
Ich mag noch kurz schildern, wie das am Schluss war. Du hast mich ganz behutsam mit dem Rücken an die Schwimmbad- oder Beckenwand geführt, sodass ich wieder Kontakt hatte – auch mit den Füßen auf dem Boden. Und das war erstmal richtig schwer – also körperlich schwer, wieder anzukommen. Mein Körper wollte gar nicht in die Kontraktion der Muskeln zurück. Mein Kopf ist fast wie weggeplumpst, bis ich gemerkt habe: Ah, okay, ich muss jetzt etwas anderes in mir aktivieren, um wieder ins Leben zurückzukommen.
Als wir dann aus dem Wasser kamen, hat mich die Schwerkraft fast erdrückt – oder „erschlagen“ sind vielleicht zu starke Worte, aber es war schon krass. Und es zeigt mir, wie wertvoll dieser Loslassprozess ist, was da auf tiefer Ebene möglich ist: Berührung, Geborgenheit, vor allem Sicherheit. Ich habe mich zu keinem Moment eingeengt gefühlt. Es hat sich sehr freilassend und respektvoll angefühlt. Und für diese Erfahrung möchte ich dir danken – sie schwingt immer noch in mir nach.
Vom Trauma zur Transformation: Geros Weg zum Wasser
Gero: Ja, das hast du wundervoll beschrieben. So schön hätte ich das wahrscheinlich gar nicht in Worte fassen können – wie du es aus deiner Erfahrung heraus jetzt gemacht hast. Und dennoch: Sowohl im Geben als auch im Empfangen liegt für mich eine sehr ähnliche, wundervolle Qualität. Sonst würde ich diese Arbeit nicht machen.
Ich bin ja auf einem langen Weg zu dieser Wasserarbeit gekommen, denn früher war Wasser überhaupt nicht mein Element. Ich hatte ein Ertrinkungstrauma – das in mir gewirkt hat, ohne dass ich es richtig zuordnen konnte. Als Jugendlicher, junger Erwachsener, habe ich meinen Kopf so gut wie nie unter Wasser genommen.
Wenn ich Brustschwimmen gemacht habe, sah das aus wie eine luftschnappende Schildkröte – immer oben auf dem Wasser. Während andere elegant eintauchten, unter Wasser ausatmeten und wieder auftauchten, war das für mich lange undenkbar.
Die schöne Brücke zu deiner Erfahrung in Bad Hönningen ist, dass ich zu meinem 35. Geburtstag eine Aqua-Wellness-Session geschenkt bekommen habe – von meiner Frau. Und an diesem Tag war ich zum allerersten Mal ohne Flasche, ohne sonstige Hilfsmittel, nur mit Nasenklemme unter Wasser.
Das war eine fundamentale Veränderung meiner Beziehung zum Wasser. In den Folgejahren habe ich das weiterentwickelt, sogar Apnoetauchen gelernt – also Tauchen ohne Flasche. Ich war in Sataya in Ägypten mit Delfinen schnorcheln und tauchen – natürlich auch dort ohne Flasche, denn in dieser Delfinbucht sind nur Freitauchende erlaubt.
Drei Phasen der Wasserarbeit
Gero: Bevor ich da gleich noch weiter aushole, möchte ich nochmal auf deine Wassererfahrung zurückkommen. Du hast sie so lebendig beschrieben. Tatsächlich ist es so, dass wir bei einer Session im Wasser erstmal abfragen, wie es dem Menschen geht – was seine Beziehung zum Wasser ist. Es gibt Menschen, die sind wie Fische, und andere haben eher einen inneren Widerstand.
Dann erkläre ich immer die drei Phasen einer solchen Wasser-Session. Die erste Phase ist – wie du es auch erlebt hast – das Liegen auf den Kissen, wo man im Wasser massiert wird. Besonders schön daran finde ich: Der Körper liegt nicht auf einer Massageliege, sondern schwebt frei im Wasser. Das eröffnet ganz andere Möglichkeiten.
Man kann zum Beispiel den Rücken von unten massieren. Und die Schwerkraft im Wasser ermöglicht sehr subtile, fließende Massagegriffe. Dadurch entsteht oft eine sanfte Dehnung – fast wie ein Dialog mit dem Gewebe.
Die zweite Phase ist das Getragenwerden – in oder auf den Armen des Aqua-Wellness-Anwenders. Ziel ist hier, wie du auch beschrieben hast, das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Der Kopf bleibt immer über Wasser, sinkt nicht ein. Gleichzeitig entsteht ein Freiraum, der getragen wird – aber nicht durch mich als Körperkraft.
Petra: Du lässt dich also auch vom Wasser tragen?
Gero: Genau. Ich lasse das Wasser tragen. Ich versuche, mit meinen Füßen möglichst geerdet zu sein – also auf dem Beckenboden – und mit meiner Atmung und meinen Armen arbeite ich im Rhythmus. Ich nutze das Wasser, nicht meine Muskelkraft. Auch die Atmung ist dabei ein wichtiges Instrument – für einen harmonischen Fluss.
Getanzte Strömung: Im Rhythmus mit dem Wasser
Gero: Diese Arbeit auf den Armen fühlt sich oft an wie ein Tanz – viele Drehungen, Spiralbewegungen, rhythmisches Wiegen. In Bad Hönningen hatten wir zudem die Situation mit den Strömungsdüsen. Die erzeugen phasenweise recht deutliche Strömungen, was anfangs eine Herausforderung ist – aber auch ein Geschenk.
Mit etwas Erfahrung kann man diese Strömung in die Session einbauen. Ich stelle mich dann etwa mit dem Rücken in die Strömung, und das Wasser fließt unter deinem Körper hindurch – trägt dich aber nicht weg. Es fühlt sich eher an wie ein Streicheln des Wassers.
Ich weiß nicht, hast du das auch so empfunden?
Petra: Ja, auf jeden Fall.
Gero: Man hat dadurch fast noch mehr das Gefühl, in einem Fluss oder Meer zu sein. Das Wasser wiegt einen, streicht an einem vorbei. Das ist auf der Haut spürbar – aber es wirkt auch tiefer, auf das ganze System, auf unser Sein.
Das ist also die zweite Phase – in den Armen, getragen im Wasser. Und dann kommt die dritte Phase, die du ja auch beschrieben hast: das Untertauchen.
Das Eintauchen vorbereiten – Vertrauen schaffen
Gero: Das bereiten wir das ja auch vor im Vorgespräch, damit die Klientin oder der Klient weiß, was auf sie oder ihn zukommt. Mit der Nasenklemme fangen wir dann ganz langsam an, ins Wasser einzutauchen – erst nur kurzzeitig. Dabei kann ich fühlen, wie es mit der Atmung ist, wie lange jemand unter Wasser bleiben möchte.
Es gibt zwei Möglichkeiten, wie man mit dem Atem unter Wasser umgehen kann. Das hatte ich dir auch erklärt: Entweder hält man einfach die Luft an oder man „blubbert“ – also lässt kleine Luftblasen aufsteigen. Das hängt ganz davon ab, womit man sich wohler fühlt.
Wenn jemand Bläschen macht, kann ich erkennen, wann die Ausatmung abgeschlossen ist. Kommen keine Bläschen mehr, weiß ich, dass der Moment zum Auftauchen gekommen ist. Aber wie du auch eben beschrieben hast, entsteht mit der Zeit eine Wahrnehmung im Flow – sodass ich oft intuitiv spüre, wann der Moment ist, indem du wieder atmen willst oder musst.
Atem, Zeit und Raum verlieren ihre Bedeutung
Gero: Diese zunehmende Entspannung führt meist dazu, dass auch der Atemrhythmus sich verändert und vertieft. Viele Menschen kommen dadurch in eine so tiefe Entspannung, dass das Bedürfnis zu atmen in den Hintergrund tritt. So war es auch bei mir: Das Zeitgefühl verschwindet, die innere Stille wird größer – und das ist für viele eine ganz neue Erfahrung.
Viele denken zunächst: Nach 30 Sekunden muss ich doch wieder auftauchen! Aber in dieser Tiefe und Weite kann sich die Zeit ganz natürlich ausdehnen. Es gibt aber natürlich keinen Zwang – manche sagen auch: Ich möchte gar nicht untertauchen oder nur sehr vorsichtig. Und das ist vollkommen in Ordnung.
Petra: In mir hatte sich so ein tiefer Frieden und eine Stille ausgebreitet, dass das Bedürfnis zu atmen komplett in den Hintergrund getreten ist. Ich habe es richtig genossen, nicht atmen zu müssen. Es war überhaupt kein Wegtreten, keine Dissoziation – ich war völlig wach und klar.
Aber natürlich kann das für andere ganz anders aussehen – etwa wenn weniger Vertrauen in sich selbst, in das Leben oder in fremde Menschen da ist. Auch ungute Erfahrungen können getriggert werden. Dann braucht es einen sehr einfühlsamen, achtsamen Umgang – und die Bereitschaft, auch feine, kleine Grenzen wahrzunehmen und zu respektieren.
Gero: Ja, das stimmt auf jeden Fall.
Jedes Wesen – ein eigenes Universum
Gero: Eine meiner schönsten Erfahrungen war auf Lesbos. Dort haben wir ein Seminar gegeben, und am letzten Tag habe ich sieben oder acht Sessions hintereinander gegeben – das war das meiste, was ich je an einem Tag gemacht habe. Das ist natürlich sehr intensiv – und sollte nicht regelmäßig passieren, weil es auch mich selbst auf vielen Ebenen beeinflusst.
Aber das Spannende war: Ich habe noch nie so vielen verschiedenen Menschen in so kurzer Zeit eine Session gegeben. Und im Nachhinein war das für mich ein Wunder – es war, als hätte ich in jedem Menschen ein ganz eigenes Universum betreten. Die Geschichte des Menschen wurde spürbar, fühlbar – und das war einfach faszinierend.
Petra: Du hast nicht nur körperlich gearbeitet, sondern mit deinem ganzen Wesen, mit deinem Herzen, mit deinem Geist. Und hast den anderen Menschen nicht nur berührt, sondern auch erspürt – ohne dass es konkret sein muss. Einfach ein Gespür dafür, wie dieser Mensch sich in seinem Körper fühlt, was er mit sich trägt.
Das ist dann auch wie ein Tanz, ein Austausch. Eine Verbindung entsteht, in der sich auch die Nervensysteme aufeinander einstimmen. Wenn du in dir selbst ruhig und präsent bist, schenkst du dem anderen eine Erfahrung, an die er andocken kann. Und die vielleicht sogar hilft, alte, ungute Erfahrungen zu integrieren.
Das ist dann wirklich eine korrigierende Erfahrung – getragen in den Armen eines anderen Menschen, gehalten vom Wasser.
Gero: Und es kann zugleich auch einfach Freude machen, Genuss sein. Ich denke, jeder bestimmt selbst, wie tief die Erfahrung geht – auch im gemeinsamen Miteinander.
Petra: Wie schön, dass du auf Lesbos so viele unterschiedliche Wesen, Menschen, Körper in dieser komprimierten Weise erleben durftest.
Geben nährt genauso wie Empfangen
Gero: Ja, auf jeden Fall. Aber auch sonst ist es für mich wie damals in der Arbeit mit dir. Jedes Mal, wenn wir gemeinsam eine Massage gegeben haben, bin ich danach selbst entspannt, genährt und glücklich herausgegangen. Genauso ist es heute, wenn ich eine Session gebe.
Es ist für mich genauso eine Freude, eine Session zu geben, wie sie zu empfangen. Ganz gleich, in welchem Rahmen oder in welcher Ausprägung – es ist eine nährende Arbeit auch für mich. Ich gehe in Verbindung, in einen Fluss, verbinde Achtsamkeit, Technik und Bewegung mit meinem eigenen Herzraum. Und ich kann sagen: Es ist ein Riesengeschenk.
Petra: Dann wird Beruf zur Berufung.
Gero: Genau.
Wasser als therapeutischer Raum
Petra: Es gibt natürlich auch verschiedene therapeutische Richtungen. In Reha-Zentren etwa wird Wasserarbeit als Hydrotherapie eingesetzt – mit orthopädischen oder neurologischen Patient:innen. Du kannst im Wasser sogar osteopathisch arbeiten. Denn durch das Wasser entsteht ein dreidimensionaler Raum, in dem sich der Körper ganz anders bewegt. Gelenke öffnen sich, Mobilisation wird erleichtert – das ist therapeutisch sehr spannend.
Es gibt auch unterschiedliche Stile: zum Beispiel Watsu, also Wasser-Shiatsu, bei dem mit Druckpunkten und Energiebahnen gearbeitet wird. Oder Aqua-Trager – da wird das Prinzip der TRAGER®-Arbeit ins Wasser übertragen. Dieses rhythmische, fließende, spiralige – das kannst du auf einer Massageliege oder am Boden gar nicht in dieser Form erreichen. Das ist schon etwas sehr Besonderes.
Was du gelernt hast, ist Water Healing Dance, oder?
Gero: Liquid Bodywork ist der Name der Ausbildung, die ich gemacht habe. Sie ist aus Aqua Wellness hervorgegangen und verbindet Massage, Bewegung und unterschiedliche Unterwassertechniken.
Im Verlauf der letzten 50 Jahre hat sich das alles entwickelt. Einer der bekanntesten Begründer war Harold Dull, der Watsu initiiert hat. In seinem Umfeld sind viele Menschen gewachsen, die ihre eigenen Techniken weiterentwickelt haben. Einer davon ist Alexander George, ein Tänzer, der Healing Dance entwickelt hat.
Weite in der Nähe – Inspiration aus der Praxis
Gero: Wenn ich selbst Seminare besuche und AusbilderInnen kennenlerne, nehme ich oft schöne Impulse mit. Besonders beeindruckt hat mich Alexander George – seine Fußarbeit, seine Choreografie in den Bewegungssequenzen, und vor allem diese „Weite in der Nähe“. Also, dass man beim Halten im Wasser trotzdem spürt: Da ist Raum. Man kann sich frei fühlen, völlig losgelöst – wie ein Delfin.
Es gibt auch Aquarelax und andere Techniken, mit denen man zum Beispiel mit zwei Menschen gleichzeitig arbeiten kann – gerade im Paar-Kontext sehr schön. Im Watsu gibt es viele therapeutische Ansätze, auch für behinderte Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Da nutzt man sogenannte Floats, also Auftriebshilfen, um die Körper sicher zu lagern. Dann entsteht eine Freiheit, die es erlaubt, sinnliche Erfahrungen und Bewegungstherapie miteinander zu verbinden – mit viel Sicherheit.
Die tiefe Verbindung zum Wasser und seinen Wesen
Gero: Was mir besonders am Herzen liegt, ist dieser energetische Aspekt: Wir bestehen ja selbst zu etwa 70 Prozent aus Wasser – und in unserer stammesgeschichtlichen Entwicklung kommen wir aus dem Wasser. Ich bin jedes Mal tief bewegt, wenn ich Wasserlebewesen begegne – Delfinen, Wasserschildkröten, selbst einem kleinen Nemo zwischen Korallen.
Ich glaube, die Energie dieser Tiere – ihre Präsenz, ihr Ausdruck – hat einen Einfluss auf uns Menschen. Delfintherapie wird nicht umsonst therapeutisch genutzt. Mein Wunsch ist es, Menschen ein Stück davon zu vermitteln – so wie ich damals bei meiner ersten Aqua-Wellness-Session liebevoll ins Wasser begleitet wurde. Diese Erfahrung hat mein Leben verändert und bereichert.
Deshalb habe ich die Idee, eine Art „menschliche Delfinbegleitung“ anzubieten. Eltern müssen nicht zwingend mit ihrem Kind nach Curaçao oder Eilat fliegen – auch wenn das natürlich wunderschöne Orte sind. Aber wir können eine sehr ähnliche Erfahrung auch hier in einer Therme ermöglichen. Wir können den Eltern zeigen, wie sie mit ihrem Kind im Wasser in Kontakt kommen – professionell und zugleich über die Herzebene.
Vertrauen wächst im Wasser – und im Leben
Petra: Und du hast ja jetzt auch selbst Enkelkinder, mit denen du dich schon delphinisch im Wasser tummelst.
Gero: Das stimmt, ja. Und ich glaube, das ist wirklich ein Samenkorn für Vertrauen. Wenn ich mich dem Wasser anvertrauen kann, kann ich mich auch dem Leben viel mehr anvertrauen. Es ist das tragende Element – im wahrsten Sinn des Wortes.
Petra: Wie schön. Ich bin ganz berührt – auch weil ich selbst diese Erfahrung gemacht habe. Vor vielen Jahren hatte ich schon einmal eine Unterwasser-Session. Und die Vorstellung, das irgendwann in warmen Naturquellen in Sizilien zu erleben – türkisfarbenes Wasser, kein Chlor – das ist natürlich ein Traum.
Aber manchmal reicht auch schon eine Badewanne. Ich habe eine Nasenklemme zu Hause, tauche unter, bewege mich ganz fließend im Wasser, spüre die Strömung an meinem Körper. Man kann da wirklich sehr kreativ sein – und das genieße ich.
Klang, Wasser und Berührung – ein Dreiklang der Sinne
Gero: Ja, absolut. Apropos Wasserqualität – natürlich bin ich auch am liebsten in natürlichen Gewässern. Aber einige Thermen arbeiten inzwischen mit Solewasser, also deutlich weniger Chemie. Es gibt auch Salzelektrolyse-Systeme, bei denen das Wasser ganz ohne Chlor gereinigt wird. Das ist für die Haut viel angenehmer – und auch für die Atemwege. Man kann es sogar in die Nase bekommen, ohne dass es unangenehm ist.
Was ich besonders schön fand, war meine Erfahrung in der Toskana-Therme in Bad Sulza – das war damals ein Projekt zur Expo 2000. Dort gibt es „Liquid Sound“ – Unterwassermusik in fast HiFi-Qualität. Ich muss direkt grinsen, wenn ich davon erzähle. Die neue Anlage ist so gut, dass man das Gefühl hat, in einer Stereoanlage zu liegen – sphärische Musik, klassische Klänge, die einen wirklich durchströmen.
Wenn man dann noch in dieser Sole liegt – also dem mineralischen, salzhaltigen Wasser, das einen schon von sich aus trägt – dann verstärkt sich das Loslassen. Und wenn man dann auch noch von einem Aqua-Wellness-Anwender im Wasser bewegt wird, ist das für mich das Nonplusultra: getragen, beschallt, bewegt.
Petra: Und wenn man unter Wasser ist, hört man die Musik – aber über Wasser nicht?
Gero: Doch, doch. Die haben dort eine Klangkuppel geschaffen – mit Klangwandlern über und unter Wasser. Das heißt, man hört überall Musik. Und besonders spannend ist, dass der Klang unter Wasser nicht übers Trommelfell, sondern über die Knochenleitung übertragen wird. Man kann sogar Ohrenstöpsel tragen und hört trotzdem alles.
Das ist für mich ein riesiger Unterschied zu anderen Schwimmbädern, wo oft ein Grundrauschen herrscht, Schreie, Springbrunnen, Wasserfälle. In diesen Klangräumen ist eine ganz andere Energie. Man hat nie das Gefühl von Lärm – es ist still, konzentriert, fast meditativ.
Petra: Wow. Also so komplett in ein stilles oder klingendes Universum einzutauchen, ohne störende Geräusche – das ist wirklich besonders.
Gero: Ja, auf jeden Fall.
Der Kreis schließt sich – Wasserarbeit als Geschenk
Petra: Dankeschön, Gero, dass du uns auf diese Reise mitgenommen hast. Ich könnte sofort wieder mit dir ins Wasser gehen. Ich werde natürlich alles verlinken – und frage dich jetzt zum Abschluss: Gibt es noch etwas, das du gerne als Essenz teilen möchtest?
Gero: Ich denke, wir haben das Wesentliche gesagt. Vielleicht nur noch: Man kann so eine Session auch verschenken – aber am besten, man hat sie vorher selbst erlebt. Nur so kann man spüren, ob es wirklich etwas für den Partner oder die Partnerin ist.
Gerade im Paar-Kontext ist das wunderschön. Man kann nicht nur Sessions einzeln erleben, sondern auch lernen, wie man sich gegenseitig im Wasser trägt, hält und verwöhnt. Manchmal passiert das auch ganz spontan in der Therme – ich bin dort mit meinen Kissen, gebe eine Session, und dann kommen Menschen und fragen, was das ist.
Es ist einfach eine wunderbare Möglichkeit, um einen Thermenbesuch zu vertiefen – allein oder gemeinsam. Wenn man ein gewisses Gespür bekommt, wie der Kopf sicher liegt, wie man den anderen in Schwingung bringt – dann ist das ein Geschenk für jede Beziehung.
Petra: Ja, das ist toll, dass du diesen Aspekt noch erwähnst. Das bereichert das Ganze nochmal auf eine ganz eigene Weise.
Und du bist ja in Bad Honnef, im Siebengebirge, in der Nähe von Bonn – ich auch mit meiner Praxis. Es ist auf jeden Fall eine Reise wert, dich zu besuchen. Ich kann es nur wärmstens empfehlen.
Ich bin super dankbar, dass wir hier miteinander sprechen konnten. Denn das ist eine Form der Körperarbeit, die sehr umfassend ist, gleichzeitig sehr konkret – und so viele positive Wirkungen entfalten kann.
Mir fällt noch ein: In der Session bei dir gab es Momente, in denen Eigenbewegungen aus mir aufgestiegen sind – ich wollte mich einrollen, ausrollen. Und du hast das ganz fein wahrgenommen und mit aufgenommen. Das war so stimmig – das war für mich der Tanz, von dem du gesprochen hast.
Ausklang
Petra: Danke, dass du bei dieser Episode von „Vom Leben berührt“ dabei warst. Ich hoffe, unser Gespräch mit Gero hat dich inspiriert, dich dem Element Wasser, dem Lauschen auf deinen Körper – und vielleicht neuen heilsamen Erfahrungsräumen – zu öffnen.
Wenn du mehr über Gero und seine Arbeit erfahren möchtest, findest du alle Infos in den Show Notes. Teile die Folge gern mit Menschen, die von diesen Impulsen berührt oder inspiriert werden könnten. Ich freue mich, wenn du auch beim nächsten Mal wieder lauschst – vielleicht wartet ja genau dort die nächste Berührung fürs Leben.
Möge dein Körper tanzen, dein Herz lauschen und deine Schritte weich den nächsten Impulsen folgen.
Gero: Herzlichen Dank, liebe Petra.
Petra: Ich danke dir. Alles Liebe – und viele Grüße an alle, die zugehört haben. Lasst euch gern berühren.
Gero: Und danke an dich, Petra, für den wundervollen Raum, den du immer wieder aufspannst – und für deine Arbeit.
Petra: Sehr, sehr gerne. Bis dann. Tschüss.
💫 Was hat dich berührt?
Wenn dich dieses Gespräch inspiriert, neugierig gemacht oder innerlich in Bewegung gebracht hat – teile gern deine Gedanken, Fragen oder Erfahrungen in den Kommentaren.
🌿 Vielleicht warst du selbst schon einmal im Wasser in tiefer Verbindung mit dir?
☀️ Oder du spürst beim Lesen, dass dein Körper nach Loslassen, nach Weichheit ruft?
Ich freue mich, von dir zu lesen.
Links
Erfahre mehr über Gero:
www.aqua-relax.de
www.yoga-badhonnef.de
www.awarechair.com
Email: info@gerkom.de
Ein wunderschönes Video. Hier bekommst du einen Eindruck, wie eine Wasser-Session aussehen kann: Watsu – Wassertanzen
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