Herzlich willkommen bei Vom Leben berührt, deinem Podcast für transformative Körperarbeit. Hier kannst du nicht nur den Podcast hören, sondern auch das vollständige Gespräch mit Rona Größler nachlesen. In dieser Folge tauchen wir gemeinsam ein in die faszinierende Welt der Geburtsprägungen und schauen, wie sie uns bis heute beeinflussen können – körperlich, emotional und seelisch. 

Wir teilen persönliche Erfahrungen und laden dich ein, diese Impulse als Anregung für deinen eigenen Weg zu nutzen. Schön, dass du da bist!

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Herzlich willkommen, liebe Rona! Ich freue mich sehr, dass du heute der Gast an meiner Seite bist. Wir möchten heute über ein sehr besonderes Thema sprechen: über die ersten frühen Prägungen – pränatal, geburtlich oder auch postnatal – und welche Auswirkungen das auf unser Leben heute hat. Ich freue mich schon sehr auf ein inspirierendes Gespräch mit kleinen Aha-Erlebnissen und Erkenntnissen, Puzzleteilen, die vielleicht deutlich machen: Ah, deshalb geht es mir so, oder deshalb passieren mir im Leben bestimmte Dinge immer wieder.

Wir kennen uns persönlich noch gar nicht sehr gut. Wir haben uns kennengelernt, oder ich bin dir begegnet, bei einer Veranstaltung für die Absolventen der Ausbildung für Neurosystemische Integration bei Verena König. Sie organisiert für die Alumni jedes Jahr eine Veranstaltung, bei der drei Menschen ihre Arbeit vorstellen. Dabei geht es darum, wie sie traumasensibles Wissen, Polyvagaltheorie und neurosystemische Integration in ihre Arbeit integrieren. Du warst damals ein Teil davon, und das hat mich sehr berührt. Deshalb habe ich dich angeschrieben und angefragt, ob wir uns zusammentun können. Für mich ist dieses Thema auch wirklich ein Herzensthema. Ich unterrichte ja unter anderem auch Hebammen und Doulas in Schwangerschaftsmassage, in der Vorbereitung auf eine kraftvolle, ungestörte, selbstbestimmte Geburt. Ich freue mich, dass du da bist und dir Zeit nimmst. Vielleicht magst du dich zu Beginn ein wenig vorstellen und erzählen, wie du zu dieser Arbeit gekommen bist. Herzlich willkommen, liebe Rona.

Rona: Ach, vielen, vielen lieben Dank, liebe Petra. Was für eine herzliche Begrüßung! Ich freue mich unglaublich, heute hier mit dir diesen Podcast gestalten zu dürfen. Ich fühle mich sehr geehrt. Vielen Dank für diese Einladung und für die Möglichkeit, heute in einen Wissensaustausch mit dir gehen zu können.

Mein Weg zu diesem Thema

Rona: Zu meiner Person: Ich bin mittlerweile 44 Jahre alt, habe zwei Kinder und bin tatsächlich aufgrund meiner eigenen Betroffenheit zu diesem Thema gekommen. Zunächst hatte ich gedacht, es hätte erst mit meiner selbst erlebten Geburt, also mit der Geburt meiner Kinder als Mutter, zu tun. Doch im Laufe der Auseinandersetzung – die einige Jahre und viele interessante Interventionen umfasst hat – bin ich dann meinen eigenen Weg gegangen und habe herausgefunden, was mir gut tut.

Dabei habe ich auch die Spuren meiner eigenen Schwangerschaft erkundet, also ich als Baby im Bauch meiner Mutter und ihre Beziehung zu meinem Vater. Interessanterweise haben sich diese Erfahrungen teilweise ergänzt und überlappt. Ich bin dann sogar noch ein Stück weitergegangen und habe – soweit es möglich war – auch die Schwangerschaften und Geburten meiner Eltern befragt.

Petra: Jetzt bekomme ich direkt Gänsehaut, denn das ist ein zusätzlich unglaublich spannendes Thema.

Rona: Ich habe auch eine systemische Ausbildung gemacht und fand in Form eines Genogramms sehr spannende Einblicke. Ein Genogramm ist eine symbolische Darstellung der Familienverzweigungen unter bestimmten Kriterienpunkten. Das kann man sehr vielfältig gestalten und daraus einige ganz interessante Dinge ablesen, unter anderem auch Geburten und Ressourcen.

Ein Projekt zur Aufarbeitung von Geburtserfahrungen

Rona:Dieses Thema hat mich weiterhin begleitet. Ich habe bis vor kurzem sechseinhalb Jahre lang als Geschäftsführerin im Frauengesundheitszentrum Sirona gearbeitet. Dort hatte ich dann endlich die Möglichkeit, ein eigenes Projekt zu initiieren – hier in Wiesbaden, damals noch von der Stadt gefördert. Leider wurde es mittlerweile aufgrund von Haushaltskürzungen gestrichen.

Dieses Projekt bot Frauen, Familien und auch Männern die Möglichkeit, kostenfreie Beratungen wahrzunehmen – mit Baby, ohne Baby, wie sie gerne wollten. Entweder zu der Geburt, die sie zu Eltern gemacht hat, oder zu ihrer eigenen Geburt, mit der sie auf die Welt gekommen sind. Das Projekt war sehr erfolgreich und hat vielen Frauen eine niedrigschwellige Möglichkeit gegeben, über ihre Geburtserfahrungen zu sprechen. Diese Erfahrungen haben oft auch mit Gewalt zu tun oder mit Trennung und anderen Formen von Irritationen. Viele Frauen wurden damit allein gelassen, weil es wenig Raum gibt, über diese Dinge zu sprechen.

Oft wird ja Geburt nur mit einer Form von Glück verbunden – jetzt sind wir vollständig verbunden, jetzt sind wir Eltern. Dabei bleiben die anderen Emotionen, die neben dem Glück existieren, im Schatten. Solange diese Gefühle im Schatten sind, wirken sie weiter. Viele waren daher sehr dankbar, überhaupt einmal Raum zu haben, über die verschiedenen Empfindungen und Gedanken reden zu dürfen, die gesellschaftlich nicht unbedingt erwünscht sind. Das war sehr spannend und sehr wertvoll, denn letztlich fühlen sich doch viele allein gelassen und denken: Oh, ich bin nicht richtig mit meinen Gefühlen. Das verstärkt das Leid oft noch mehr.

Es ist wichtig, aufzumachen, dass Geburt nicht nur pures Glück ist, sondern dass daneben auch Gefühle von Verzweiflung, hormonellen Umstellungen und vielem mehr existieren.

Petra: Ich möchte von meinen eigenen Erfahrungen berichten – oder von dem, was mir im Leben begegnet ist – wie unterschiedlich sich Geburt auf unser Leben auswirken kann. Ich bin zum Beispiel ein Frühchen, neun Wochen zu früh gekommen, eine Sturzgeburt: innerhalb von zwei Minuten war ich da. Dieses Gefühl von „rauskatapultiert sein“ begleitet mich bis heute. Es geht alles rasend schnell – das ist einerseits eine Stärke: Ich bin handlungsfähig und klar in meinen Entscheidungen. Doch es ist oft auch mit dem Gefühl verbunden, schnell funktionieren zu müssen, keine Zeit zu verlieren. Manchmal bringt das auch Ungeduld mit sich – mit mir selbst oder mit anderen.

Ein anderer Mensch, der weit über den Geburtstermin hinausgetragen wird oder das Nest nicht verlassen möchte, zeigt oft eher Zögerlichkeit oder Entscheidungsschwäche. Dieses „Ich muss kämpfen, um durchzukommen“ prägt sich ebenfalls. Solche Menschen brauchen mehr Zeit, bevor sie eine Entscheidung treffen, probieren sich durchs Leben. Wenn eine Geburt nicht vorwärtskommt, zeigt sich das oft auch später: immer wieder einen Seitenabzweig nehmen, statt klar vorwärtszugehen.

Für mich war es ein Augenöffner, zu erkennen, wie sehr sich diese Geburtsprägung im späteren Leben zeigt.

Oder wenn ein verlorener Zwilling da ist: Zwei Babys, aber einer geht – das passiert gar nicht so selten, oft unbemerkt, weil es früh geschieht. Dann bleibt ein Lebensgefühl zurück: „Es fehlt immer jemand an meiner Seite.“ Verlustängste, sich in Dreiecksbeziehungen wiederfinden, das Gefühl: Ich brauche immer noch jemanden zusätzlich. Ich habe eine Frau erlebt, deren Zwilling gegangen ist und deren Mutter starb, als sie vier Monate alt war. Ihr Lebensgefühl war: „Ich kann keine Bindung eingehen, alle Menschen, die ich liebe, gehen.“ Das braucht viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, um das aufzuarbeiten und zu integrieren. Um zu erkennen: Ja, ich bin bindungsfähig, und es gibt Möglichkeiten, das Vertrauen wieder aufzubauen.

Menschen, die mit der Nabelschnur um den Hals geboren werden, mögen oft keine Halsschmuck oder Krawatten tragen. Das löst in ihnen ein Gefühl von Bedrohung aus. So etwas zu wissen, anstatt zu denken: „Ich spinne“, finde ich sehr hilfreich. Denn es kann zu innerer Enge oder Panikmustern führen, die tief im Körper gespeichert sind.

Und ich hatte einmal einen Austausch mit einer Kollegin. Wir haben uns verabredet für eine Massage, und ich lag zuerst auf dem Tisch. Ihre Berührung war so sacht, so feinfühlig. Aber ich habe gemerkt, ich wurde immer aggressiver. Ich hatte das Gefühl: Wann fasst sie mich endlich an? Ich wäre am liebsten vom Tisch gesprungen. Sie hat das gemerkt und dann angesprochen. Ich habe gesagt: Ich brauche eine klare, konkrete Berührung.

Weil ich als Sturzgeburt – das haben wir erst hinterher erkannt – so durch den Geburtskanal geflutscht bin, als hätte ich diese Enge gar nicht wahrgenommen und gespürt. Ich liebe es heute auch noch, wenn ich Gewicht auf mir spüre. So kommt etwas mit mir in Kontakt, dann komme ich mit dem Leben in Berührung. Oder ich liebe luftgetrocknete Handtücher – so weiß ich, wo ich anfange, wo ich aufhöre. Diese Basisstimulierung.

Ich habe sie später behandelt, und es war klar: Jede Form von Druck ist zu viel. Selbst die Berührung war fast schon zu viel, und an den Hals, in die Nähe des Halses, durfte ich auf keinen Fall kommen. Das sind wichtige Aspekte in der Körperarbeit: Wie möchte jemand die Druckintensität? Wie möchte jemand, dass man herangeht an die Behandlung oder die Berührung? Manchmal ist es auch intuitiv, dass ich denke, ich frage einen Menschen auch mal nach dem eigenen Geburtserlebnis. Genau. Jetzt bin ich neugierig, was du dazu sagen kannst.

Rona:Okay, erstmal vielen Dank. Du hast ja schon viele Aspekte angesprochen, die ich in meiner Arbeit auch kenne. Und wenn es für dich in Ordnung ist, würde ich das an ein paar Stellen ergänzen.

Petra: Gern.

Eigene Geburtserfahrungen und Berührungsempfindung

Rona: Ich gehöre zu den Menschen, die sehr spät geboren wurden. Ich bin übertragen worden und habe in der Schwangerschaft selbst – in der ich das Baby war – auch die Erfahrung gemacht, dass es eine Art frühgeburtliche Aktivität gab. Damals wurde eine Schlinge um den Gebärmuttermund gelegt, um einen möglichen Abgang zu verhindern. Tatsächlich wurde das unter der Geburt vergessen. Ich bin also übertragen worden. Es war kurz davor, dass die Geburt eingeleitet werden sollte, aber es wurde dann doch nicht gemacht.

Ich kenne es aus Erzählungen: Heute ist die Geburt ja noch ein Stück weit privater als damals. Wir sind Kinder unserer Zeit, das kommt noch dazu. Es gab damals einen großen Raum, in dem neun andere Frauen auch waren. Meine Mutter lag mit mir in den Wehen, und erst recht spät wurde festgestellt, dass diese Schlinge da ist. Ich habe also ein ganz intensives Erleben in Bezug auf Berührung.

Natürlich gab es noch andere Ereignisse. Wir reden von einer Zeitspanne des Lebens, die ganz am Anfang ist. Unsere Biografie erstreckt sich bis zum aktuellen Zeitpunkt, und in dieser Zeit passieren viele andere Dinge, die manches, was wir im Vorfeld erfahren haben, auflockern, transformieren oder integrieren lassen. Andere Ereignisse können dazu beitragen, dass Dinge, die wir im Vorfeld erfahren haben, verstärkt werden oder sich intensivieren. Deswegen ist es immer eine Betrachtungsweise. Ich neige nicht dazu, zu sagen: Das hat unbedingt damit zu tun. Ich sage: Und es hat auch damit zu tun. Es ist ein Sowohl-als-auch.

In meinem Fall ist es so, dass für mich Berührung – oder stärker berührt zu werden – in einem Kontext, der nicht eindeutig wohlwollend ist, immer auch eine bedrohliche Komponente hat. Ich hatte als Kind Fieberträume, in denen ich immer durch dicke Walzen, wie Sportmatten, gerollt wurde.

Erst viel später, durch das Lesen eines Buches von Professor Christian Schubert, wurde mir bewusst: Er beschäftigt sich mit fraktalen Frequenzen und hat auch auf seine eigene Geburt Bezug genommen. Er erzählt von einem Naturereignis, das er mit einem Fiebertraum verbindet. Ich hatte dann ein Aha-Erlebnis: Diese Fieberträume sind wahrscheinlich gespeicherte Informationen über dieses existenzielle Ereignis – sich ins Leben bringen zu wollen und es nicht richtig zu können, weil es nicht vor und zurück geht. So eine Form von Ohnmacht und Ausgeliefertsein, die darin mitschwingt. Durch diese Walzen und Vorwärtsbewegungen wurde ich dann sozusagen nach draußen „geschlüpft“. Das war sehr ermattend.

Meine Mutter erzählte mir später, dass ich mit ganz blauen Armen und Beinen geboren wurde. Eine Freundin, die Hebamme ist, erklärte mir später, dass mein Körper in einer existenziellen Not war und das Blut schon zurück in den Torso geholt hat, um überhaupt noch eine Form von Leben und Überleben zu sichern – eine Art Zentralisierung.

Petra: Sagst du mir gerne nochmal: Die Verbindung zu diesen fraktalen Frequenzen – das klingt sehr spannend.

Fraktale Frequenzen und wiederkehrende Muster

Rona: Genau! Das sind im Grunde genommen sich wiederholende Muster, die Professor Schubert zunächst in der Natur beschreibt: zum Beispiel die Struktur eines Brokkolis oder eines Flussbetts – Verzweigungen, die sich zur Quelle hin orientieren. Diese wiederkehrenden Muster tauchen in der Ganzheitlichkeit des Lebens immer wieder auf – auch in uns.

Die Verzweigungen der Lunge, der Bronchien, der Alveolen – auch das sind solche Muster. Professor Schubert geht weiter und sagt: Diese Muster sind nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar als fraktale Frequenzen. Wir erleben sie mit unseren Eltern und in all unseren Beziehungen. In der Psychoanalyse spricht man von Mustern oder Verhaltensmustern, doch Schubert bringt das auf eine sehr feine, tiefere Ebene. Das hat mich unglaublich berührt.

Petra: Das berührt mich auch, weil darin so viel Schönheit liegt. Wenn ich zum Beispiel an einen Romanesco denke – diese Spiralen, die finden sich ja überall: Spiralnebel, mathematische Formeln. Oder wenn man sich eine Zitrone anschaut – sie ist wie eine Brust aufgebaut. Wenn man stillen möchte, Zitrone essen. Oder Nieren stärken, indem man nierenförmige Lebensmittel isst: Mandarinen, Orangen, Kidneybohnen. Oder die Gebärmutter stärken mit Avocados. Diese wiederkehrenden Muster in Form und Fülle haben etwas Wunderschönes.

Rona: Ja, wirklich schön! Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr unterbrochen. Du hattest ja noch einen Gedanken.

Petra: Ja, das ist ein total spannendes Thema. Ich kann deine Begeisterung gut nachvollziehen. Darüber könnte man eine eigene Podcastfolge machen: Frequenzen und Strukturen. Vielleicht zurück zu dem anderen Thema: Wie ich geboren wurde, macht auch deutlich, wie bestimmte Herausforderungen auf mich wirken können. Heute verstehe ich das natürlich anders.

Geburtserfahrungen und ihre Nachwirkungen

Rona: Das sind lebensentscheidende Punkte, die sich sehr existenziell anfühlen. Für mich sind solche Momente oft unglaublich herausfordernd, weil ich immer denke: Es geht gleich um Leben oder Tod. Dieses existenzielle Gefühl ist für Menschen, die das so nicht erlebt haben, schwer nachvollziehbar. Es ist kognitiv nicht greifbar, weil die Zellen einfach reagieren.

Diese Entscheidung, die damals anstand, hat eine bestimmte Frequenz. Die fängt an, in mir zu „summen“. Dann berührt sie auch Felder, die eine ähnliche Frequenz haben. Damit ist immer auch diese Schwangerschafts- und Geburtserfahrung gemeint. Das kann dazu führen, dass ich zum Beispiel, wenn ich einen Vertrag unterschreiben will – egal in welchem Zusammenhang – und es ist etwas Nachhaltiges, dass es in Resonanz geht. Ich erlebe mich dann in einem starken, emotionalen, ängstlichen Zustand. Es ist noch keine Panikattacke, aber in mir wird eine große Angst spürbar, die eine intensive Qualität hat.

Es hat lange gedauert, bis ich mich dem anvertraut habe – ich konnte es nicht einordnen, warum man bei einem Vertrag so berührt sein kann. Durch die Arbeit mit einer wunderbaren Therapeutin hat dieses Geburtserlebnis Raum bekommen. Dann konnten wir anders damit umgehen.

Wenn sich jemand von den Zuhörenden darin wiederfindet: Es kann sich unglaublich lohnen, dem nachzugehen. Denn es ist wie eine Entzwiebelung im Leben. Solche starken neuronalen Systeme, die im Körper wirken und solche Emotionen hervorrufen – das ist eine Herausforderung. Aber gleichzeitig ist die Arbeit damit so wertvoll, weil sie einen goldenen Schlüssel in sich trägt. Einen Schlüssel, der hochindividuell ist und eine hoffnungsvolle Ausrichtung im eigenen Leben bedeutet. Ich verstehe das sehr gut, wenn jemand diesen Weg gehen möchte.

Petra: Ja, das ist ja quasi so, mit der Essenz in Berührung zu kommen. Zu erkennen: Damals war ich ausgeliefert, heute kann ich anders darauf blicken. Heute bin ich erwachsen, handlungsfähig. Heute kann ich selbst entscheiden. Deshalb ist dieses Bewusstsein so hilfreich und wertvoll.

Ich bin ja – so wie wir das jetzt herausfinden – genau das Gegenteil. Ich hatte oft intensive Träume: Ich war oft im Meer, dann kam ein Geysir aus dem Meer und ich wurde kilometerweit durch die Landschaft katapultiert. Ich bin einfach geflogen. Das hat keine Angst ausgelöst, ich habe es geliebt. Diese Träume, die so viel mit Wasser, Kraft und Fluss zu tun haben, haben sich für mich immer gut angefühlt. Wenn ich diese Träume heute noch habe, freue ich mich darüber. Es ist spannend, wie unterschiedlich Träume sein können und wie sehr sie mit dem Geburtserlebnis zu tun haben.

Rona: Auf jeden Fall. Und auch die Erfahrung als Baby oder Embryo, vielleicht gar nicht willkommen gewesen zu sein, darf Raum haben. Willkommensein in dieser Welt zeigt sich auf viele Arten. Bin ich gewollt in dieser Gruppe? In meiner Familie? Das kann sich wiederholen – im Arbeitskontext, in Freundschaften, in intimen Beziehungen.

Das ist ein wichtiger Punkt in meiner Arbeit. Diese Idee „Ich arbeite an mir mit meiner Selbstliebe“ ist gut und orientierungsgebend. Gleichzeitig ist es oft so: Dieses „auf den Weg machen“ und nicht genau wissen, von wo ich starte, lässt mich nicht richtig ankommen. Es ist wie, als ob ich eine Wanderausrüstung hätte, aber die Regenjacke fehlt. Oder die Brotdose fehlt. Ich komme nicht richtig an. Ganz viele arbeiten sehr engagiert, aber es fehlt das Ankommen – bis zu dem Punkt, an dem die Frage dahin führt: Wie waren deine Eltern mit dir schwanger? Weißt du, ob du ein willkommenes Kind warst?

Es gibt viele Kinder, die überraschend kamen, ungewollt waren oder nach einer Abtreibung kamen. Das hat eine Frequenz auf das Baby – auf den Menschen, der sich entwickelt. Diese Frequenz wird aufgenommen. Dann ist die Frage: Was schwingt da in mir? Warum denke oder fühle oder mache ich das? Das kann ein wichtiges Puzzleteil sein auf dem Weg zu mehr Selbstbewusstsein. Wer bin ich? Was will ich? Was brauche ich? Wo kann es hingehen? Was sind meine Bedürfnisse?

Petra: Der Bogen auch zur „Ich bin willkommen“-Thematik – das lässt sich auch nachnähern, zum Beispiel in einer achtsamkeitsbasierten Massage. Auch als Erwachsener. Die Hände, die dich berühren, können dich willkommen heißen. Als würdest du zum ersten Mal berührt werden, als Wunder bestaunt. Diese Qualität von: Ich darf da sein und ich werde willkommen geheißen. Das kann eine ganz tiefe Erfahrung sein, auch als Erwachsener – wie eine Neugeborenen- oder Babymassage.

Berührung als Schlüssel zur Transformation

Rona: Absolut! Gerade dieser Aspekt ist mir sehr wichtig. Deswegen habe ich ihn nochmal betont – weil sich willkommen zu fühlen so ein nachhaltig wirkender Prozess ist. Er hat Einfluss auf vieles: Wie gestalte ich Beziehungen? Wie gehe ich in Partnerschaften? Fühle ich mich in meiner Arbeit willkommen oder nicht? Wo sind meine Grenzen – und wo fehlen sie? Wenn ich mich nicht willkommen fühle, kann ich nicht klar sein. Ich habe immer Angst, dass etwas entdeckt wird, das die Wahrheit ans Licht bringt. Und das ist es ja: immer diese Frage, ist das wahr?

Solange ich das nicht verstehe, bleibt es unbewusst. Ich glaube dann, es hat mit meinem Selbstwert zu tun – dabei ist es nur die Frequenz, die ich als allgegenwärtig erlebt habe, wie ein kleiner Goldfisch im Glas, der glaubt, das Glas sei die Welt. Gleichzeitig ist das ein Hinweis auf die Möglichkeit, sich liebevoll zuzuwenden.

Manchmal – das hast du in deinem Beispiel schon gesagt – tragen diese unbewussten Gefühle auch Angst, Scham oder Schuld in sich. Dann drehen wir uns weg. Wir wollen nicht, dass es wahr ist. Es darf nicht herauskommen, denn dann könnte es wirklich wahr sein. Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen: You are not alone.

Es geht immer wieder um die Frage: Warum konnte ich mich damals nicht schützen? Weil ich ausgeliefert war. Genau da ist Bewusstheit so wertvoll – auch in Form von Psychoedukation. Und dann: Wow, jetzt weiß ich, woher es kommen könnte. Es ist auf körperlicher Ebene entstanden, und gerade deshalb ist der Schlüssel auch körperlich. Vielleicht ist es eine Berührung, die vermittelt: Du bist willkommen. Wie fühlt sich das an? Wie würde ich mich berührt fühlen wollen, um willkommen geheißen zu werden? Das darf ich auch artikulieren, jederzeit. Und der Körper ist dabei immer Teil der Reise – unsere große Freundin, unsere beste Teamplayerin. Gemeinsam mit ihr ist dieser Prozess nachhaltig und wertvoll. Es ist wie ein Abenteuer, von dem man ein Leben lang erzählen kann.

Geburt als Abenteuer und Vertrauen in die Intuition

Petra: Ja, die Geburt ist quasi unser erstes großes Abenteuer, von dem aus wir starten. Und wir können die Richtung jederzeit neu bestimmen. Es ist so kostbar, dass es Menschen wie dich gibt, die so tief gegangen sind.

Ich finde auch andere Aspekte spannend, gerade, wie eine Geburt gestaltet wird. Dabei wird klar: Wir sind auch Säugetiere – unsere Physiologie ist seit Jahrmillionen unverändert und selbstregulierend. Wertvoll ist, dass der Neokortex – unser Vernunftgehirn – während der Geburt quasi ausgeschaltet wird. Die Frau darf nicht mit Fragen oder Entscheidungen überfrachtet werden. Sie darf sich nach innen zurückziehen, mit ihrem Körper und dem Baby in Kontakt treten.

Dazu kann auch schon während der Schwangerschaft der Dialog beginnen – etwa mit der Bindungsanalyse, die diesen Dialog mit dem Baby unterstützt. Das Baby entscheidet mit! Dunkelheit im Raum hilft, weil das Melatonin den Neokortex beruhigt – wie beim Schlafen. Wenn es zu hell ist, kann das Gehirn nicht loslassen. Bei Geburt ist es genauso: In den Wehen steigt der Melatoninspiegel, man wird antisozial, Oxytocin verstärkt sich – das schützt die Bindung.

Ich erinnere mich an eine Freundin: Alle redeten auf sie ein, bis sie plötzlich sagte: „Lasst mich doch alle in Ruhe!“ Und plötzlich konnte die Geburt einfach geschehen.

Oder dass zum Beispiel die Lunge des Babys eine Flüssigkeit ins Fruchtwasser abgibt, die signalisiert: „Ich bin bereit zu atmen.“ Oder dass die Käseschmiere mit dem Fruchtwasser geschluckt wird und so das Mikrobiom im Darm schon vorbereitet wird – wie das Vaginalsekret beim Durchgang durch den Geburtskanal. Das alles trainiert das Immunsystem – die Grundlage für ein gesundes Mikrobiom.

Ich finde diese Vorgänge faszinierend. Früher dachte man, mehr Geräte würden Geburt sicherer machen – aber die Kaiserschnittrate ist eher gestiegen.

Es ist wichtig, dass eine Frau einen Wohlfühlort schaffen darf. Vielleicht denkt sie: „Ich will unbedingt eine Hausgeburt.“ Und dann merkt sie im Moment selbst, dass ihr etwas anderes lieber wäre. Dass sie es situativ entscheiden darf, finde ich wertvoll.

Ich habe erlebt, dass jemand eine Hausgeburt plante – und als sie dann sagte: „Ich gehe ins Krankenhaus“, begann die Geburt schon im Auto. So viel Erleichterung! Umgekehrt genauso: Jemand wollte unbedingt ins Krankenhaus und spürte dann plötzlich: „Ich möchte lieber zuhause bleiben.“ Das darf sich ändern.

Das erinnert mich auch an meinen meinen Stiefvater, der immer sagte: „Ich würde niemals Chemo machen!“ Und als er krank war, nahm er jeden Strohhalm. Auch wenn ich eine Patientenverfügung habe – ich weiß nicht, wie ich in dem Moment wirklich entscheiden möchte.

Das alles finde ich so wertvoll. Und dass ein Baby nicht sofort weggenommen wird – gemessen, gebadet – sondern erst einmal auf den Bauch der Mutter gelegt wird. Dieser Suchreflex ist der stärkste Rückhalt. Wenn die Bindung ungestört bleibt, kann sie nicht mehr getrennt werden.

Kraftvolle Bindung und unsere Sehnsucht nach Verbindung

Petra: Ich habe manchmal das Gefühl, dass es gesellschaftlich bewusst eine Trennung gibt, damit Menschen sich getrennt fühlen und leichter manipulierbar sind. Unser ganzes Wirtschaftssystem baut darauf auf: konsumieren, süchtig sein, Leere füllen.

Rona: Ja. Eine kraftvolle Bindung ist das Stärkste, was uns im Leben nährt. Ich glaube, es ist diese tiefe Sehnsucht in uns. Sie treibt uns an, lässt uns loslaufen, suchen, machen, ausprobieren. Da begegnen wir auch einigen unserer größten menschlichen Stärken und lassen sie lebendig werden.

Manchmal, so simpel es klingt, ist es einfach dieses große Ankommen, dieses Verbundensein, das echte Miteinander. Und das fühlt sich ganz anders an. Wenn ich in einen Raum komme – ob bekannt oder unbekannt – und ich gehe mit der Idee rein: „Ich treffe Menschen, die sich verbinden wollen wie ich“, dann verändert sich schon die Atmosphäre. Natürlich gibt es noch andere Schwingungen – ich meine damit nicht, dass ich als Guru den Raum erleuchte. Sondern, dass das Miteinander – in Beziehungen, Arbeit, Begegnung – dadurch ein anderer wird.

Ich habe das Gefühl, auch durch die Arbeit von Verena, dass unsere große Kraft im Wohlwollen und in der Verbundenheit liegt. Ich glaube, das war über Jahrtausende ganz selbstverständlich. Und auch wenn sich das irgendwann verändert und abgebaut hat – wir sind gerade dabei, es wiederzuentdecken. Das ist deine Arbeit, meine Arbeit, Verenas Arbeit und die vieler anderer wunderbarer Menschen. Es geht darum, wieder einen Weg zu mir zu finden. Zu spüren: Wer bin ich? Was ist meine Geschichte? Und gleichzeitig dieser Sehnsucht nachzugehen: Was wünsche ich mir für mein Leben?

Denn letztlich – und das ist so ein wichtiger Punkt – ist unsere Zeit hier begrenzt. Keiner von uns weiß, wie lange wir hier sind. Ich auch nicht. Ich wünsche mir, 88 zu werden, um das groß mit meinen Kindern zu feiern – ob ich es schaffe, weiß ich nicht. Aber ich habe diese Idee: dass ich am Ende meiner Zeit sagen kann, ich habe das, was ich mitbekommen habe, transformiert. Damit meine Kinder und alle Generationen nach mir es leichter haben. Und dass ich damit auch diese Gesellschaft einlade, sich selbst zu verwandeln. Neben all der Angst, die schon immer da war. Wie geht es dir damit, Petra?

Petra: Ich finde, das ist ein wunderbarer Schlusspunkt. Weil wir alle in kleinen Schritten etwas tun können, damit diese Welt heiler wird. Damit wir in sicheren Kontakt kommen, damit sich diese Verbundenheit über die Spiegelneurone ausbreitet. Wenn einmal dieser Funke der Verbundenheit da ist – und wenn er mit diesem unversehrten Kern in uns in Berührung kommt, der in jedem wohnt – dann geschieht schon so viel.

Ich bin sehr, sehr berührt. Von der Tiefe unseres Gesprächs. Von der Hoffnung und der Schönheit, die im Leben zu Hause sind. Und dass wir uns gegenseitig dabei unterstützen, auf dem Weg der Wandlung, der Integration, der Heilung. Ich bin dankbar, dass ich hier sein darf.
Vielleicht magst du noch etwas zum Abschluss sagen, Rona?

Rona: Ich danke dir für deine spontane Art, Petra. Dafür, dass du mich einfach so gefragt hast – ohne mich vorher wirklich zu kennen. Das ist ein großes Geschenk: heute in so einem herzwarmen Raum meine Ideen und mein Wissen teilen zu dürfen. Vielen Dank. Und alles Liebe.

Petra: Alles Liebe auch dir, liebe Rona.
Rona: Ciao!

Petra: Danke, dass du dabei warst und dieses tiefgehende Gespräch mit Rona Größler und mir geteilt hast. Wenn dich diese Folge inspiriert hat, dann freue ich mich, wenn du sie teilst oder eine Bewertung dalässt. So hilfst du auch anderen, den Podcast zu finden. Mehr Informationen und weiterführende Impulse findest du in den Shownotes. Ich freue mich auf das nächste Mal mit dir – hier bei „Vom Leben berührt“. Alles Liebe – deine Petra.

Links & Anhang: 

🌸 Mail von Rona: geburtanders@gmx.de 
🌸 Instagram: ronagroessler traumasensible Geburtsverarbeitung
🌸 Podcastfolge mit Prof. Christian Schubert über Frequenzen

Ressourcen

Blog: Geburtsmeditation -Ein heilsames Tor zu deiner Seele
Audio: Geburtsmeditaion

Glossar
Ein Genogramm ist eine grafische Darstellung von Familienbeziehungen, die über mehrere Generationen hinweg reicht. Es ist vergleichbar mit einem Stammbaum, aber viel detaillierter: Ein Genogramm zeigt nicht nur biologische Verbindungen (Eltern, Kinder, Geschwister), sondern auch emotionale Beziehungen, Konflikte, Krankheiten und wichtige Ereignisse im Leben der Familienmitglieder.
Genogramme werden oft in der Psychotherapie, Familientherapie und Sozialarbeit verwendet, um Dynamiken und Muster in einer Familie zu verstehen. So können sie helfen, familiäre Konflikte oder Krankheiten zu erkennen, die sich über Generationen hinweg wiederholen.

 

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