Eine Einladung zum Loslassen und Lauschen.

Lange galt es als Tugend, viel zu leisten, viel zu denken, viel zu tun. Tun, um etwas zu erreichen. Pushen, um etwas zu bewegen. Wollen, um zu verändern. Doch irgendwo auf diesem Weg haben viele von uns etwas Wesentliches verloren: das Gefühl für den Moment. Fürs Sein. Für die Kraft, die nicht aus dem Tun kommt, sondern aus der Präsenz. Und so wächst sie langsam, leise – die Sehnsucht nach einem anderen Rhythmus. Nach einem Weniger, das sich nicht wie Mangel anfühlt, sondern wie Erleichterung. Wie Nach-Hause-Kommen. 

Lesezeit 7 Min.

Raum statt Reiz

Im Alltag beginnt es oft ganz unscheinbar: ein Moment der Stille, ein ausgeschaltetes Handy, ein Nein zu etwas, das eigentlich zu viel ist. Es ist ein Zurücktreten von der Reizflut, vom dauernden Müssen, vom funktionierenden Ich. Ein Aufatmen. Plötzlich entsteht Raum. Und dieser Raum fühlt sich nicht leer an – sondern weit. Wie eine Einladung. Unser Nervensystem reagiert darauf. Wenn wir weniger müssen, beginnt es sich zu regulieren. Der Körper gleitet sanft vom „Überlebensmodus“ – Sympathikus, Alarm, Anspannung – zurück in ein inneres Zuhause. Der ventrale Vagus, unser innerer Schmetterling der Sicherheit, erwacht. Wir kommen in Kontakt. Mit uns. Mit anderen. Mit dem Moment.

Und nicht nur äußerer Lärm darf leiser werden. Auch innerlich. Weniger (Selbst-) Zweifel, weniger (Selbst-) Verurteilung, weniger (Selbst-) Abwertung. Wenn diese inneren Stimmen leiser werden, wird es friedlicher. Weiter. Und still genug, um sich selbst zuzuhören. Weniger Erwartungsdruck macht Raum für Sanftheit. Für Würde. Für Würdigung.

Berührung, die nichts will

In der TRAGER®-Körperarbeit wird das „Weniger“ besonders spürbar. Hier geht es nicht um Technik, nicht um Druck oder Zielorientierung. Es ist ein Lauschen mit den Händen. Eine stille Begegnung. Die Berührung ist so sanft, dass sie keine Abwehr braucht. Sie lädt ein, statt zu fordern. Und genau dadurch geschieht das Unerwartete: Das Gewebe beginnt zu antworten. Spannungen lösen sich von innen heraus, nicht weil sie „sollen“ oder „müssen“ und sich in Kampf- oder Schutzhaltungen behaupten müssen, sondern weil sie können und dürfen. Weil sie gefühlt und gehört werden. Der Empfangende darf einfach da sein. Ohne Leistung, ohne Erwartung. Und auch der Gebende muss nichts „leisten“. Es ist kein Tun, sondern ein Mitgehen. Kein Machen – sondern Präsenz. Ein Dialog auf Zellebene. Fein. Echt. Regulierend. Auch hier reagiert das Nervensystem: Es erkennt, dass keine Gefahr droht. Es atmet aus. Der Tonus lässt nach. Vielleicht taucht sogar ein Gefühl von Getragen-Sein auf – ein Schweben, innerlich.

Diese Wirkung lässt sich auch physikalisch erklären – und vielleicht sogar noch besser fühlen. In einem einfachen Experiment mit nicht-newtonschen Flüssigkeiten zeigt sich: Wird auf die Masse plötzlich Druck ausgeübt, wird sie hart. Doch wenn man sanft und langsam mit ihr in Kontakt geht, öffnet sie sich und gibt nach. So ähnlich reagiert auch unser Körper. Je weicher die Hände, desto tiefer darf die Berührung gehen. Weniger ist mehr – das ist keine esoterische Idee, sondern verkörperte Realität.

 

Wenn sich Bedürfnisse verändern

Unsere Körper sind nicht mehr dieselben wie früher. Über viele Generationen hinweg wurde viel körperlich gearbeitet – im Handwerk, in der Landwirtschaft, im Wiederaufbau nach dem Krieg. Die Anforderungen waren hart, direkt, belastend. Und die Berührung, die damals hilfreich war, war oft ebenfalls fester, kräftiger, griffiger.
Doch heute leben wir in einer anderen Zeit. Die Arbeit hat sich ins Mentale verlagert. Die Systeme sind voller Information, oft überreizt. Die Energien feiner, hochfrequenter. Und mit ihnen verändern sich auch die Bedürfnisse. Es braucht heute andere Berührungsqualitäten – feiner, achtsamer, regulierender. Nicht weil die Menschen empfindlicher geworden sind, sondern weil sie empfindsamer werden dürfen.

Beziehung braucht weniger als gedacht

Dieses Prinzip überträgt sich auf unsere Begegnungen. Oft meinen wir, wir müssten viel sagen, viel erklären, viel tun, um wirklich in Beziehung zu sein. Doch was passiert, wenn wir einfach da sind? Wenn wir zuhören, statt antworten zu wollen? Wenn wir neugierig bleiben, statt zu bewerten? In solchen Momenten entsteht eine andere Qualität von Verbindung. Echtheit. Sicherheit. Vertrauen. Unser „Social Engagement System“, jenes feine Netzwerk zwischen Herz, Stimme, Blickkontakt und Bauchgefühl, beginnt zu arbeiten. Nicht durch Worte – sondern durch Präsenz. Plötzlich ist da Nähe. Ohne Anstrengung. Ohne Strategie.

Loslassen statt leisten

„Weniger ist mehr“ ist kein Aufruf zum Rückzug oder zur Untätigkeit.
Es ist eine Einladung, dem Leben anders zu begegnen: weich statt hart. Spürend statt steuernd. Wenn ich den Druck herausnehme – aus meinen Gedanken, aus meinem Körper, aus meiner Kommunikation – entsteht etwas Neues.
Ein Raum.
Ein Rhythmus.
Ein Erinnern daran, dass nichts fehlt.

Vielleicht ist es das, was wir alle suchen:
Nicht mehr vom Leben – sondern mehr vom Sein.

Was wäre freier?
Was wäre leichter?

In der Berührung, im Alltag, in Beziehung – manchmal beginnt das Wesentliche genau dort, wo wir aufhören, etwas zu wollen. Wo wir still werden. Zuhören. Und da sind.

Weniger ist mehr – Nichts ist alles.
Wenn das Wollen still wird, öffnen sich Räume in denen alles möglich wird.

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Weniger ist mehr

Mit der Zeit verändern sich unsere Haltungen.
Früher glaubte man: Viel hilft viel.
Viel denken, viel analysieren, viel tun.
Berühren mit Kraft, Druck, Anstrengung.
Wenn es helfen soll, muss es wehtun – Autsch!

Heute wächst die Einsicht:
Weniger ist mehr.

Weniger Druck – mehr Spüren.
Weniger Wollen – mehr Fließen.
Das Gewebe erhält eine Einladung:
sanft zu schmelzen, zu sinken,
getragen vom Vertrauen,
behutsam gewiegt vom Urgrund des Meeres.

Ich spüre mein eigenes Gewicht –
und lasse los.
Und staune:
Es fühlt sich an wie Schweben.
Frei. Leicht.

Die Bewegung kommt von innen.
Nicht, weil ich etwas tue.
Ich bin einfach da
und höre deinem Rhythmus zu.

Ich nehme den Druck heraus,
etwas bewirken zu müssen.
Ich bin präsent.
Weniger ist mehr – und es geschieht von selbst.

Ich muss dich nicht lenken, nicht kontrollieren.
Du bist genau richtig, so wie du bist.

Dein Gewebe darf sprechen.
Es ist ein Dialog der Liebe,
eine stille Kommunikation,
der ich lausche und aus der ich lerne.

Und dann taucht die Frage auf:
Was wäre freier?
Was wäre leichter?

Sie erinnert mich daran, wer ich bin –
und öffnet Raum für mehr Lebendigkeit.

 

Ressourcen

Erstaunliche Experimente:

Blogartikel:


✨Über die Autorin Petra Feldbinder

Ich begleite Menschen auf dem Weg in mehr Spüren, Weichheit und Verbindung – durch TRAGER®-Körperarbeit, achtsame Begleitung und Präsenz. In meiner Arbeit erforsche ich die Kraft des Weniger – und lade dich ein, sie mit mir zu entdecken.
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