In meine Praxis kommen Menschen mit Schmerzen unterschiedlichster Art. Wie lernen wir mit Schmerzen umzugehen?

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Bitte weg mit dem Schmerz

Schmerz ist unangenehm und er soll am besten erst gar nicht da sein! Als Kind bekommen wir, wenn wir Schmerz oder Unwohlsein fühlen, den Schnuller, Schokolade oder etwas anderes in den Mund geschoben. So erhalten wir schon früh das Signal, dass wir besser unangenehme Gefühle und Schmerzen ausgrenzen und wegpacken sollten. Wir beginnen uns von unseren natürlichen Impulsen, unserer inneren Stimme und unseren Gefühlen zu entfernen und verlieren die Verbindung und das urgesunde Körpergefühl für uns selbst.

Ein Indianer kennt keinen Schmerz

Ich höre meinen Vater noch sagen: „Ein Indianer oder ein deutscher Soldat kennt keinen Schmerz!“ Diesen Satz hat er bestimmt schon von seinem Vater gehört… Wie schlimm ist es einen Schmerz, der da ist, nicht fühlen zu dürfen? Manche Prägungen sitzen tief und steuern uns unbewusst. Und wie heilsam ist es, ihnen auf die Schliche zu kommen und einen neuen, bewussten und liebevollen Weg zu gehen. So erkenne ich, dass Kompensationsmuster entstehen. Als Erwachsener essen wir dann z.B. aus Gewohnheit, um ein ungutes Gefühl zu überdecken. Oder hocken vor der Glotze und lassen uns berieseln, hängen viel zu lang vor dem Computer, kaufen Dinge, die wir nicht wirklich brauchen, trinken Alkohol, arbeiten rund um die Uhr und verfangen uns immer tiefer im Hamsterrad. Möchte das Leben so sein? Was ist, wenn wir dem Schmerz und den Gefühlen die da sind begegnen, sie fühlen und JA sagen? Wenn all die nicht gehörten und gesehenen Anteile in uns von damals als Baby, Kind oder Jugendlicher nun zu uns nach Hause kommen dürfen und von uns gehört, gehalten und gewiegt werden? Der Ruf und die Sehnsucht gesehen zu werden ist groß. Ein tiefes JA zu dem was ist, verwandelt alles.

Ein Erwachen jenseits von Worten

Ich hatte vor fünf Jahren ein Schlüsselerlebnis. Es hat mich und meinen Umgang mit Schmerz verändert und mich tiefer mit dem Leben verbunden. Diese Erfahrung mag ich heute mit Dir teilen. 

Den Schmerz annehmen

Meine langjährige Beziehung war zu Ende und kurz darauf ist mein Vater gestorben. Die Art und Weise wie mein Vater gehen musste, war traumatisch. Nach der Beerdigung fuhr ich nach Hause und als ich die  die Wohnungstür aufgeschlossen hatte, war ich von jetzt auf gleich sterbenskrank. Ich lag im Bett und war nicht mehr in der Lage aufzustehen. Ich war erschöpft, nachdem ich tagelang den Todeskampf meines Vaters miterlebt und begleitet hatte. Ich fühlte einen unglaublichen Sog, selber sterben zu müssen. Ich kämpfte und rang im Innern um mein Leben. Es fühlte sich an, wie im freien Fall. Ich wollte aber nicht fallen und ich stemmte mich mit aller Kraft gegen dieses Gefühl. Es hörte nicht auf. Je mehr ich mich gegen dieses Gefühl wehrte, umso schlimmer wurde es. Irgendwann kam ich an einen Punkt, wo ich nicht mehr konnte und ergab mich. Innerlich sagte ich: „Ok, dann falle ich jetzt!“ – Vollkommen unerwartet war in dieser Sekunde der Spuk vorbei. Ich war aufgefangen, aufgehoben und getragen in Gottes Hände, von jetzt auf gleich geborgen und sicher. Die Angst war weg. Ich spürte eine mich allumfangende, reine und unendliche Liebe. Die Liebe, die mich flutete war grenzenlos. In mir war alles ruhig und es gab keine offenen Fragen mehr. Ich war Eins und verbunden mit dem Göttlichen. Die Wendung von einer zur nächsten Sekunde war unfassbar für mich. Ein Erwachen, jenseits von Worten. Ich fühlte deutlich, diese Liebe, sie ist immer da und steht uns jederzeit grenzenlos zur Verfügung. Kennst du den Satz:

„The distance between you and God is the same distance between you and yourself“?

“Die Distanz zwischen dir und Gott, ist die gleiche Distanz zwischen dir und deinem Selbst.” Er ist so treffend und beschreibt, es liegt an uns, die inneren Widerstände, die Steine beiseite zu räumen und unser Gefängnis zu verlassen. Das Leben ist großartig, wenn wir ihm Einlass gewähren, wenn wir in der Hingabe sind, wenn wir einen Sprung ins Ungewisse wagen, wenn wir verstehen, wer wir wirklich sind. Wir sind im Drama tatsächlich nur eine Sekunde von der Glückseligkeit entfernt. Das gelingt, wenn wir ins Fühlen kommen, wenn der denkende Verstand getrost in den Hintergrund treten darf, wenn wir ins Hier und Jetzt und in den Augenblick eintauchen, wenn wir bereit sind eine neue Erfahrung zu machen, wenn wir ein tiefes JA in uns fühlen. Dann wird das Leben zu einem wahren Wunder.

Das Licht wird in der Dunkelheit geboren

Wir können keinen Umweg gehen. Der Anspruch immer glücklich zu sein, immer Freude zu erleben, kostet Energie und bedeutet Vermeidung. Der Schmerz gehört zum Leben. Wie jede Geburt, jeder Übergang in etwas Neues und Unbekanntes mit Schmerz verbunden ist. Das Licht wird in der Dunkelheit geboren. So wie der Same aus der Erde oder der Schmetterling aus seinem Kokon hervorbricht. Wenn wir bereit sind den Schmerz zu bejahen, ihn ganz zu uns nehmen, ihn lieben und ihn im Innern umarmen, übernehmen wir die Verantwortung, für das was ist. Wir gehen aus der Opferrolle in die Schöpferrolle und der Schmerz verwandelt sich in sein Gegenteil, in ein Geschenk, in einen Schatz, den wir ans Licht heben. Die Kraft, die im Widerstand gebunden war, wird frei und steht Dir für etwas Neues zur Verfügung. Das Leben selbst strebt nach Heilung. Wenn wir uns nicht dagegen stemmen, geschieht es wie von selbst.

Wenn mich heute etwas körperlich zwickt und zwackt und weh tut, dann schicke ich den Schmerz nicht mehr vor die Tür, oder sage ihm: „Geh weg, ich will dich nicht!“ Nein, ich verbinde mich mit dem Schmerz. Ich fühle seine Qualität, lausche einfach, ganz ohne Bewertung. Ich schmelze in dieses Weh hinein. Ich atme, flute ihn mit meiner Liebe, halte und wiege ihn in meinen Armen. Für mich ist erstaunlich, was in den Momenten tief gefühlter Selbstliebe geschieht.

Wenn ich mit mir auf gute Weise verbunden bin, gibt es einen erfreulichen Nebeneffekt: es braucht weniger Medikamente. Wenn ich beginne zu verstehen, welches Gefühl hinter dem Schmerz ist, brauche ich keine weiteren Strategien der Vermeidung mehr.

Wie gehst Du mit Schmerzen um?

Welche Erfahrungen hast Du gemacht? Gibst es etwas, was Dir hilft mit schmerzhaften Momenten umzugehen?
Wenn Du magst, lass mich wissen, wie es Dir geht und fühl Dich eingeladen hier einen Kommentar zu schreiben, was immer Du sagen möchtest und Dich bewegt…