Herzlich willkommen bei Vom Leben berührt – deinem Podcast für transformative Körperarbeit. Hier kannst du nicht nur den Podcast hören, sondern auch das vollständige Gespräch nachlesen.
Nicola Stöckler ist Heilpraktikerin für Psychotherapie sowie SE- und NARM-Practitioner. In ihrer Praxis begleitet sie Menschen mit feiner Achtsamkeit auf dem Weg zurück in die Verbindung mit sich selbst – durch körperorientierte Traumatherapie, Präsenz und innere Ressourcen.
In diesem Gespräch erfährst du, wie traumatischer Stress im Körper wirkt – und was es braucht, damit gebundene Energie sich wandeln, innere Räume sich öffnen und echte Lebendigkeit wieder spürbar werden kann.

Lesezeit 23 Min.
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Wie entsteht echte Verbindung in der therapeutischen Begleitung?
Wie finden wir im Körper Halt – selbst dann, wenn das Nervensystem in alten Mustern gefangen ist?
Im Gespräch mit Nicola Stöckler tauche ich ein in die Welt der körperorientierten Traumatherapie – zwischen feiner Wahrnehmung, innerer Sicherheit und dem Mut, sich selbst neu zu begegnen.

Petra: Liebe Nicola, wie schön, dass du heute da bist. Du arbeitest mit Menschen in sehr achtsamer Weise – oft geht es darum, im Hier und Jetzt mit dem Körper in Kontakt zu kommen und dem nachzuspüren, was sich zeigen will. Wie ist es jetzt – in diesem Moment? Vielleicht magst du dich ein bisschen vorstellen…

Was ist jetzt? Ein Moment der Einkehr

Nicola: Ja, Petra, vielen Dank. Für die Einladung – und für die schöne Einleitung, die uns so sanft ins Thema führt. Ich fühle mich direkt gut aufgehoben in deiner Begleitung.
Die Frage, wie es jetzt gerade ist, ist eine, mit der ich auch in meiner Praxis oft beginne. Dieses Innehalten: Und was ist eigentlich jetzt?
Wenn ich jetzt in mich hineinspüre, merke ich: Ich sitze gut hier an meinem Schreibtisch, mein Blick fällt auf eine große Zeder draußen im Garten. Die Sonne scheint ein wenig durch die Äste. Ich mag diesen Ausblick sehr. Vor mir steht der Computer mit dir – und ich merke, wie sich mein System beruhigt. Meine Füße stehen auf dem Boden, mein Rücken lehnt sich an. Gleichzeitig bin ich ein bisschen aufgeregt – und freue mich auf unser Gespräch.
Petra: Wie schön. In dem Moment, wo du gesagt hast: „Wie ist es jetzt?“, hat sich auch in mir sofort ein innerer Raum geöffnet. Das ist wie Magie – sich überhaupt zu erlauben, mit den Sinnen wahrzunehmen, was gerade ist. Dieses Jetzt ist ein wunderbarer Raum für Sicherheit. Ich spüre: Ich bin in einem geschützten Raum, es gibt keine Gefahr. Das schafft Orientierung – und genau das lässt mich sicher fühlen.

Die Praxis körperorientierter Traumatherapie

Nicola: Ja, das hast du schön beschrieben. Wären wir in einer Sitzung, könnten wir jetzt direkt in die Arbeit einsteigen – das tun wir heute natürlich nicht. Du hast mich gebeten, ein bisschen von mir zu erzählen. Ich arbeite heute als Heilpraktikerin für Psychotherapie mit erwachsenen Menschen – in meinen Praxen in Bad Honnef und Bonn. Die Menschen, die zu mir kommen, bringen ganz unterschiedliche Anliegen mit – oft jedoch mit einem traumatischen Hintergrund. Das zieht viele zu mir – weil ich mit Somatic Experiencing und NARM arbeite. So steht über meiner Arbeit sinngemäß „Trauma-Therapeutin“. Menschen kommen mit dem Wunsch, sich von alten Prägungen zu lösen oder neue Wege zu finden, die ihnen mehr Freiheit ermöglichen.

Eine lange Verbindung – und ein gemeinsamer Weg

Petra: Ja, wie schön, dass du diesen Raum öffnest. Und auch schön, dass wir heute an unsere gemeinsame Verbindung anknüpfen. Die reicht ja weit zurück.
Nicola: Stimmt. Wir kennen uns aus der Villa Schaafhausen in Bad Honnef, die damals deine Eltern betrieben haben. Ich schätze, das ist etwa 35 Jahre her. Damals habe ich dort meine Ausbildung zur Ernährungs- und Gesundheitsberaterin gemacht. Das war für mich ein echter Wendepunkt – ein Shift in eine ganzheitlichere Denk- und Lebensweise. Der Zusammenhang zwischen Körper und Psyche, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wurde damals für mich spürbar. Das hat mein Interesse tief berührt – und ich bin seitdem immer weiter auf diesem Weg gegangen.
Vor etwa zehn Jahren habe ich die Heilpraktiker-Ausbildung gemacht. Nach vielen Jahren eigener körperpsychotherapeutischer Erfahrung folgte dann die therapeutische Ausbildung. Und nun arbeite ich seit einigen Jahren in eigener Praxis – immer noch voller Neugier und mit offenem Blick für die Zusammenhänge.

Wenn das Innere sortiert werden will

Petra: Ja, das ist es, was diese Arbeit so lebendig macht.
Ich bin immer wieder neugierig: Wer ist da vor mir? Was zeigt sich gerade? Nicht, um etwas einzuordnen, sondern um offen zu sein für das, was jetzt ist. Ich bin gespannt auf das, was du mitbringst.
Nicola: Das erinnert mich an unsere gemeinsame Verbindung – auch mit der TRAGER® Arbeit. Meine erste TRAGER® Erfahrung war bei Eva-Maria Willach in Hamburg. Damals hatte ich das Bild einer völlig durcheinandergeratenen Besteckschublade in mir. In der Begleitung durch TRAGER® hatte ich das Gefühl, dass sich diese Schublade wieder sortiert – alles liegt nachher geordnet da, und ich kann es wieder benutzen. Und das ist auch ein Bild, das ich aus der Therapiearbeit mitnehme: Es geht darum, innere Ordnung zu finden. All das, was wir in uns tragen – Fähigkeiten, Ressourcen, Wissen – steht uns dann wieder zur Verfügung.

Ressourcen, die tragen – Resilienz, die wächst

Petra: Genau das sind ja die Ressourcen, die Resilienz aufbauen: Erfahrungen, die mich innerlich stärken. Wenn ich in einem geschützten Raum Sicherheit erfahre – sei es durch Körperarbeit oder Psychotherapie – dann kann ich wachsen. Und ich kann mich an diese Momente erinnern. Sie werden zu einem Gegengewicht zu dem, was damals war. Denn das, was wir in der Kindheit erlebt haben – vielleicht Ohnmacht, Unsicherheit oder mangelnde Versorgung – hat oft eine ganz andere Qualität als das, was wir heute erleben können.
Nicola: Es gibt viele Wege, wie Menschen in ihrer Lebenskraft eingeschränkt werden. Heute – in einem geschützten Raum, im Kontakt mit sich selbst und mit einem wohlwollenden Gegenüber – kann sich etwas Neues entwickeln. Wenn sich innere Räume öffnen, entsteht wieder Weite. Menschen können sich wieder ausdehnen in ihre Möglichkeiten hinein.
Petra: Ja. Du hast das Bild der durcheinandergeratenen Schublade verwendet – und das passt gut zu dem, was passiert, wenn die Vergangenheit zu sehr ins Jetzt hineinragt. Oder wenn ich ständig in sorgenvollen Zukunftsgedanken hänge – weil ich unbewusst glaube, dass sich das Vergangene wiederholen wird. Dann entsteht inneres Chaos – und ich verliere den Kontakt zum Jetzt. Aber im Jetzt kann Neues entstehen. Und das ist das Schöne an deiner Arbeit. Vielleicht magst du ein bisschen den Prozess beschreiben – wie Überflutung vermieden wird. Das ist ja auch das Herzstück traumasensibler Arbeit: Immer wieder zurückzukehren zu den Ressourcen. Sie sind so wichtig.

Alte Erfahrungen im Heute verstehen

Nicola: Das, was in der Arbeit mit den Methoden, die ich gelernt habe, im Vordergrund steht, ist: Es geht darum, Altes zwar wahrzunehmen, aber den Fokus nicht ausschließlich darauf zu richten. Wir schauen: Was war damals? Und – was macht das heute mit dir? Inwieweit schränkt das Leben heute ein, was damals erlebt wurde? Genau dort beginnt die therapeutische Arbeit. Wir richten uns dabei immer mehr auf das, wo der Mensch hinmöchte. Was sind seine tiefsten Wünsche oder Sehnsüchte? Was wünscht er sich für sein Leben? Das kann alles Mögliche sein: „Ich möchte freier sein.“ „Ich will mehr Verbundenheit erleben.“ „Ich will Beziehung leben können.“ Oder: „Ich will gesünder sein.“
Dann schauen wir gemeinsam: Was kommt dir in den Weg? Was hindert dich daran, das Leben zu leben, das du dir wünschst?

Ressourcen erkennen und Traumaenergie wandeln

Nicola: Dann geht es natürlich auch darum, die Ressourcen des Menschen zu entdecken. Was hat sich im Laufe der Jahre bewährt? Oft liegen Jahrzehnte zwischen dem Erlebten und dem Moment, in dem Menschen therapeutische Hilfe suchen. Wir schauen: Was war hilfreich? Was hat dich gestützt? Und was steht dir heute im Weg? Was könnte sich jetzt verändern? Wir beobachten in der Arbeit häufig, dass Energie im Nervensystem stecken geblieben ist – z. B. durch einen Autounfall, eine schwierige Operation oder andere belastende Ereignisse. Das Nervensystem hält diese Energie oft in einem Zustand dauerhafter Alarmbereitschaft. In der Begleitung wird dieser Stress ganz behutsam und in einem viel langsameren Tempo als damals entladen. Wir widmen uns all den Prozessen, die damals nicht geordnet ablaufen konnten – zum Beispiel bei einem Unfall, der blitzschnell passiert.

Verlangsamung als Schlüssel zur Integration

Nicola: Ein zentrales Element ist: Wir gehen bewusst mit dem Tempo runter.
Wir achten immer wieder darauf, dass der Mensch, wenn er alten Inhalten begegnet, auch im Hier und Jetzt verankert bleibt. Das ist der große Unterschied zu damals. Wir verlangsamen so weit, dass das, was auftaucht, häppchenweise vollendet werden kann: integriert, losgelassen, verabschiedet, beruhigt, getröstet. All das, was damals gefehlt hat.
Petra: Damals war alles zu schnell, zu überwältigend. Heute kann ich mit einem regulierten Nervensystem darauf schauen. Und von diesem Ort aus kann Integration geschehen.

Ein sicherer Raum und ein reguliertes Gegenüber

Nicola: Ein Nervensystem, das viel traumatischen Stress in sich trägt, ist anfangs nicht reguliert. Der erste Schritt in der Zusammenarbeit ist also, ein Vertrauensverhältnis zu schaffen.
Ein sicherer Raum, ein sicherer Kontakt. Allein durch meine offene, wohlwollende Präsenz kann der Mensch neue Erfahrungen machen. Das ist die Grundvoraussetzung für gemeinsame Arbeit.
Petra: Denn genau das hat oft gefehlt. Wenn ich als Kind in Not war, aber niemand da war, der wohlwollend hinschaut – dann wurde bagatellisiert, beschimpft oder übergangen. Und das bleibt als Prägung bestehen.

Schocktrauma und Entwicklungstrauma unterscheiden

Petra: Ein Autounfall ist ein klassisches Schocktrauma – ein plötzliches, klar umrissenes Ereignis. Entwicklungstrauma dagegen meint Situationen in der Kindheit, in denen ich wiederholt nicht versorgt wurde.
Nicola: Es gibt Kinder, die in feindlichen Umgebungen aufwachsen. Ohne Schutz, ohne Ausweg. Oder es passiert Schlimmes. Und dann gibt es Kinder, die scheinbar wohlbehütet aufwachsen – aber nie in ihrer Persönlichkeit gespiegelt oder geachtet wurden. Sie konnten nie in ihr eigenes Selbst hineinwachsen.

In das eigene Selbst hineinwachsen

Petra: Ja, das ist genau der Punkt. Wenn ich gefragt werde: „Wo willst du hin?“ – dann ist das oft die Antwort: In mein eigenes Selbst hineinwachsen.
Nicola: Und oft ist diese Frage gar nicht leicht zu beantworten. Mit den eigenen Bedürfnissen in Kontakt zu kommen, ist nicht selbstverständlich. Vieles ist überdeckt von dem, was wir als Kinder gelernt haben – wie wir sein müssten, um zu gefallen. Da wieder durchzudringen ist manchmal echte Arbeit.
Petra: Und wenn damals kein verbindender Kontakt da war, bin ich oft abgespalten – von meinen Bedürfnissen, meinen Gefühlen, meinem Körper. Dabei steckt darin so viel Weisheit und Kraft.

Wie entsteht echter Kontakt?

Petra: Was bedeutet für dich echter Kontakt? Wie kann das wieder wachsen?
Wenn ich viel dissoziieren musste, keine Erinnerung an meine Kindheit habe – wie finde ich den Weg zurück? Ich glaube, das geschieht kleinschrittig. Nicht mit einem großen „Wumms“, sondern langsam. Es ist ein Abenteuer: sich selbst zu begegnen. Neugierig, nicht abwertend.
Nicola: Ja, wir nennen das im NARM eine „Forschungsreise“.
Petra: Das ist in der TRAGER®-Arbeit ganz ähnlich.
Nicola: Wir forschen wie Entdecker. Was gibt es in dir? Und wo willst du hin? Wir begegnen auch dem Wunsch, größer oder selbstliebender zu werden. Und das bedeutet immer: Ausdehnung.

Vom Rückzug in die Ausdehnung

Petra: Der Körper unter traumatischem Stress ist meist zusammengezogen. Es gibt Kontraktionen, Schonhaltungen…
Nicola: …oder er kollabiert. Es gibt beides. Stress aktiviert den Sympathikus – die Muskulatur spannt sich an. Bei chronischem Stress bricht sie irgendwann zusammen. Dann haben wir es mit Muskelgruppen zu tun, die übererregt oder untererregt sind. Diese Dysbalance beeinflusst unser Erleben. Die natürliche Aufrichtung kommt aus dem Gleichgewicht. Und wenn wir wieder in Balance kommen, beeinflusst das auch unsere Psyche. Probier es: Lass den Kopf hängen – du wirst anders denken und fühlen als in aufrechter Haltung. Körper und Psyche sind eng verwoben.

Körper und Psyche im Dialog

Nicola: Dieses enge Zusammenspiel zwischen Körper, Zustand und Psyche ist zentral in meiner Arbeit.
Petra: Ja, der Körper war immer mit dabei. Auch vorgeburtlich. Selbst wenn es keine Worte gibt, hat der Körper alles gespeichert. Die Reise zur Präsenz beginnt im Körper.

Gefühle sind körperlich erfahrbar

Nicola: Ganz genau. Wir erleben Gefühle im Körper: Herzklopfen, Druck, Spannung, Kopfschmerz. Oft verursacht durch Angst, Sorge, Trauer, Mutlosigkeit. Und dort können wir – und das liebe ich an meinem Handwerkszeug – auch erleben, wie sich innere Themen auflösen und sich dadurch Spannungen im Körper lösen.
Petra: Ja, genau. Und auch umgekehrt.
Nicola: Genau. Es gibt keine Sackgasse. Körper und Psyche beeinflussen sich gegenseitig.

Wenn der Körper kein sicherer Ort ist

Nicola: Für manche Menschen ist der Körper ein gefährlicher Ort. Wenn du Gewalt oder Missbrauch erlebt hast, ist der Körper kein sicherer Ort. Die Einladung der Arbeit mit SE und NARM ist: zu erleben, dass sich das ändern kann. Heute, als Erwachsene, hast du andere Möglichkeiten. Das üben wir in achtsamen Wahrnehmungsreisen: Unterschiede spüren zwischen angenehmen und unangenehmen Bereichen im Körper.

Pendeln zwischen Sicherheit und Herausforderung

Nicola: Im SE gibt es das Pendeln: Wir wechseln zwischen angenehmen und unangenehmen Körperregionen. So entsteht Differenzierung. Wir erkennen: Es ist nicht alles eins. Wir haben eine Wahl. Das Nervensystem erinnert sich daran, dass es schwingen kann. Diese Schwingungsfähigkeit wiederzuerlangen ist ein Ziel der Arbeit.

Aus der Vergangenheit ins erwachsene Selbst

Petra: So wertvoll ist das Bewusstsein: Damals war ich ein Kind – heute bin ich erwachsen. Das lässt mich wachsen, es holt mich aus der Opferrolle.
Nicola: Genau. Oft ist es keine bewusste Erinnerung – es ist zur Identität geworden. Wir sprechen von Überlebensstrategien: Abspaltung, Wegmachen, Nichtfühlen. Das war notwendig. Aber: Du bist mehr als das.
Petra: Diese Strategien zu würdigen ist entscheidend. Sie haben uns gerettet.
Nicola: Ja. Damals war Überleben das Ziel. Heute wollen wir lebendig sein. Und dazu braucht es neue Möglichkeiten, neue Bilder. Und therapeutische Prozesse können genau das erfahrbar machen.
Petra: Sonst bleibe ich reaktiv, in Projektionen. Und das erschwert Kontakt, erschwert Beziehung. Deshalb ist innere Arbeit so wertvoll – für echte Verbindung.

Selbsterfahrung als Grundlage für sichere Begleitung

Petra: Ich denke, gerade als Therapeutin – oder wie in meinem Fall mit dem Schwerpunkt Körperarbeit – ist es wesentlich, innerlich geklärt zu sein. Wenn ich nicht wirklich in mir selbst sicher bin, aber versuche, Sicherheit aus meiner Rolle oder meinen Ausbildungen und Kompetenzen zu ziehen, dann ist das letztlich nur eine scheinbare Sicherheit. Wenn diese innere Verankerung fehlt – wenn das keine tief verkörperte Erfahrung ist – übe ich unbewusst Druck auf den Prozess aus. Dann kompensiert sich mein eigener Mangel an Sicherheit über das, was ich tue. Deshalb ist es so wertvoll, diese tiefe Erdung als Erfahrung und inneren Ort zu kennen – damit ich überhaupt in Resonanz mit dem Prozess gehen kann. Damit sich das zeigen darf, was sich zeigen möchte. Bin ich dagegen ständig im Tun oder Machen, dann bin ich nicht im Kontakt, sondern in der Trennung. Und genau dadurch entsteht Druck.
Nicola: Ja, das hast du sehr schön beschrieben. Mir geht es da ganz ähnlich. Ich bin ein großer Fan davon, dass Therapeutinnen viel Selbsterfahrung machen – sich wirklich kennenlernen. Denn die blinden Flecke sind auch bei uns Therapeutinnen blind. Und in der Arbeit mit Klient*innen begegnet uns das ja: Wir werden plötzlich aktiviert, weil etwas in uns berührt wird. Dann ist es essenziell, sich selbst begleiten zu lassen – im eigenen Prozess. Für mich gehört dazu die regelmäßige Supervision, Intervision und die Bereitschaft, mich meinen eigenen Anteilen zu widmen. Offen und forschend zu bleiben – auch mir selbst gegenüber.

Raum halten für das, was sich zeigen möchte

Nicola: Nur so kann ich einen Raum ermöglichen, in dem ich in echter Tiefe mit dem So-Sein meines Gegenübers in Kontakt gehen kann. Natürlich helfen die Methoden, die wir gelernt haben – doch was es wirklich trägt, ist das tiefe Verständnis für Zusammenhänge und die innere Kapazität, so einen Raum zu halten. Einen Raum, in dem auch das Schwere und Traumatische da sein darf. Und dafür braucht es – da bin ich überzeugt – lebenslange Arbeit an sich selbst. Ich kenne keine Kolleg*innen, die nicht ständig daran arbeiten, ihre eigene Präsenz, Kapazität und Authentizität weiterzuentwickeln.
Petra: Das ist eine hohe Kunst. Gerade auch in der Körperarbeit – in der Berührung. Die Präsenz zu halten und den Raum des Nicht-Wollens zu erlauben. Einfach nur rezeptiv und empfangend zu sein. Nicht zu analysieren, nicht zu „befunden“. Denn sobald ich implizit vermittle „So wie du bist, bist du nicht richtig“, verliere ich den Kontakt. Wenn die Hände dagegen einfach offen da sind – wirklich fühlen, was ist – wenn sie dem Gewebe lauschen, dann verschwindet die Präsenz der eigenen Hände. Der Mensch, der berührt wird, fühlt sich selbst. Und kommt in Berührung – mit sich.

Die Antwort kommt von innen

Petra: Das ist ja auch eine Parallele zu deiner Arbeit. Du gibst keine Antworten vor – im Sinne von: Du hast Problem A, jetzt folgt Lösung B. Sondern: Der Körper selbst findet die Antwort. Oder das Innere zeigt die Ressource.
Nicola: Ja, das ist schön gesagt. In der SE- und NARM-Arbeit gehen wir nicht zielorientiert vor. Es geht nicht darum: „Das ist mein Problem – mach es bitte weg.“
Petra: Genau.
Nicola: Sondern wir arbeiten prozessorientiert.

Den roten Faden behalten – bei offener Prozesshaltung

Nicola: Das heißt natürlich, mit Offenheit und Interesse dem Prozess zu folgen – und gleichzeitig als Therapeutin den roten Faden zu halten.
Petra: Den Überblick, ja.
Nicola: Und den kann ich nur behalten, wenn wir eine klare Auftragsklärung gemacht haben. Wenn ich im Kontakt bleibe mit dem tiefen Wunsch des Menschen, der da ist. Zum Beispiel: „Ich wünsche mir mehr Nähe zu meinem Partner.“ Dann erforschen wir gemeinsam: Wofür wäre das gut? Was würde das möglich machen? Womit kämen Sie in Berührung – mit sich, mit dem anderen? Wenn ich diesen Faden halte, sehe ich auch, wo sich im Prozess kleine Fenster öffnen – zur Entspannung, zur Entladung, zur Neuorientierung, zur Integration. Der Raum ist offen für den Prozess – und gleichzeitig halte ich als Therapeutin den Rahmen. Wir wissen vielleicht nicht, wie der Weg aussieht – aber wir kennen die Richtung. Und das ist entscheidend für eine wirkungsvolle Zusammenarbeit.

Verantwortung klären – Rollen erkennen

Petra: Diese Klarheit in der Auftragsklärung ist auch wichtig für Menschen, die nicht therapeutisch arbeiten – etwa im Wellnessbereich, ohne Heilerlaubnis. Viele fühlen sich innerlich verpflichtet, Schmerzen oder Beschwerden „wegmachen“ zu müssen. Und dieser innere Druck erzeugt hohen Erwartungsdruck – auch an sich selbst. Das ist eine Falle. Dann schließt sich schon die Tür für den eigentlichen Prozess, der sich entfalten möchte. Statt im Kontakt bin ich im Machen, im Kontrollieren. Und genau da hilft es, sich selbst zu entspannen – sich klarzumachen: Ich muss hier nichts wegmachen. Ich muss hier nichts heilen. Ich darf einfach da sein. Gerade, wenn ich nicht im therapeutischen Kontext arbeite, ist es essenziell, mir diesen Anspruch nicht aufzubürden. Viele Menschen kommen mit chronischen Beschwerden – etwa Parkinson oder starker Arthrose – das kann ich nicht „wegmachen“. Aber das entlastet. Und befreit das Setting. Ich weiß dann: Wo stehe ich? Was ist meine Aufgabe – und was nicht? Ich muss mir nicht mehr aufladen, als mir zusteht.

Nicola: Ja, das ist in der Psychotherapie ganz ähnlich. Ich kann eine Depression nicht „wegmachen“. Auch keine Zwangsstörung oder Angst. Aber ich kann in der Begleitung einen Raum schaffen, in dem sich neue Möglichkeiten zeigen dürfen.

Wege zur passenden Begleitung finden

Petra: Wie schön. Jetzt haben wir schon so oft von SE und NARM gesprochen, aber nicht alle wissen, was das eigentlich ist. Kannst du uns noch einen Hinweis geben, wie man sich näher über diese Therapieverfahren informieren kann – und was du vielleicht rätst, wenn sich Menschen auf die Suche nach Unterstützung machen?

Nicola: Ja, gerne. Beide Methoden – also sowohl Somatic Experiencing als auch NARM – sind sehr achtsame Wege, um mit Trauma zu arbeiten. Erste Informationen findet man gut über die offiziellen Webseiten. Die hast du, glaube ich, auch verlinkt.
Darüber hinaus lohnt es sich, einfach mal unter Begriffen wie ‚traumasensible Therapie‘ oder ‚traumasensible Psychotherapie‘ in Suchmaschinen zu schauen. Da gibt es inzwischen viele fundierte Informationen.
Du hast ja auch gefragt, wie man eine passende Begleitung findet. Ich denke, auch hier ist die Methode ein guter erster Anhaltspunkt. Informationen bekommt man online, aber auch im Austausch mit anderen – Freunde, Familie – viele haben bereits Erfahrungen gemacht.
Wenn man eine bestimmte Person im Auge hat, würde ich immer schauen: Welche Ausbildung liegt der Arbeit zugrunde? Gibt es eine fundierte Ausbildung im Bereich Trauma? Und dann ein Erstgespräch vereinbaren, um herauszufinden: Fühle ich mich dort aufgehoben? Kommt mir eine offene, interessierte und wohlwollende Haltung entgegen?
Die Wellenlänge muss stimmen. Und das kann man gut spüren – ob man sich akzeptiert fühlt. Diese Möglichkeit haben wir ja, wenn wir auf die Suche nach dem passenden Menschen gehen.

Petra: Es ist ja leider nicht einfach, einen Therapieplatz zu finden – gerade bei Kassenplätzen. Aber außerhalb der kassenärztlichen Versorgung gibt es manchmal schneller eine Möglichkeit.
Nicola: Ja, in der Regel ist das so.

Therapeutische Beziehung als Ort der Entfaltung

Petra: Ich bin total dankbar, dass ich dich damals gefunden habe – und du lebst quasi direkt bei mir um die Ecke. Wir arbeiten tatsächlich seit 2022 zusammen. Ich nehme regelmäßig Sitzungen und Supervisionen bei dir – und profitiere enorm davon.
Es gibt ja noch immer viel Scham, zur Therapie zu gehen. So dieses Gefühl: Das macht man doch nur, wenn es ganz schlimm ist. Aber weißt du, jeder Mensch steht Herausforderungen im Leben gegenüber.
Und dann jemanden an seiner Seite zu haben, der auf so einer tiefen Ebene mitgeht – das macht so einen Unterschied. Ich stehe heute mit viel mehr Kraft da, bin verwurzelt in mir. Wir feiern auch Erfolge miteinander.
Es gibt unglaublich tiefe Momente, aber auch so viel Freude. Es gibt Humor – es ist lebendig, lebensnah und körpernah. Nicht, dass du mich berührst – fast gar nicht – aber ich bin innerlich sehr berührt.
Ich würde heute nicht da stehen, wo ich stehe. Ich würde diesen Podcast nicht machen, wenn ich dir nicht begegnet wäre – und wir nicht so eine gute Zusammenarbeit hätten.

Nicola: Danke, Petra, für dieses schöne Kompliment. Und ich glaube, du hast damit auch beschrieben, was gute therapeutische Begleitung ausmacht. Wenn man sich auf die Suche nach Unterstützung macht – und das kann im Leben immer wieder vorkommen – dann trägt vieles dazu bei, dass man zu dem Menschen wird, der man ist.
Dass man sich freier entfalten kann – ohne so viele Hürden und Stolpersteine im Weg.

Ein Raum für Nachklang und innere Bewegung

Petra: Ich hoffe, dieses Gespräch mit Nicola konnte dich inspirieren – und vielleicht auch etwas in dir in Bewegung bringen. Traumaheilung braucht Zeit, Raum und ein tiefes Lauschen auf das, was der Körper uns erzählen will. Und genau darin liegt eine große Kraft: in der Verbindung mit dem, was Jetzt ist.

Wenn du neugierig geworden bist auf Nicola und ihre Arbeit, findest du alle Infos wie immer in den Shownotes.

Danke, dass du heute dabei warst bei Vom Leben berührt.
Ich freue mich, wenn du die Folge teilst, Feedback dalässt oder beim nächsten Mal wieder einschaltest.

Bis bald – und vergiss nicht: Dein Körper weiß den Weg. 😊

 

✨Welche Gedanken oder Körperempfindungen hat unser Gespräch in dir angestoßen? Vielleicht kennst du Momente, in denen sich alte Muster lösen durften – oder du hast selbst Erfahrungen mit körperorientierter Therapie gemacht? Ich freue mich, wenn du das, was in dir nachklingt, im Kommentar teilst.

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