TRAGER® – Lebensfreude und Beweglichkeit im Alter – im Gespräch mit Eva-Maria Willach und Anke Gehlhaar
Hallo und herzlich willkommen bei Vom Leben berührt, deinem Podcast für transformative Körperarbeit. Hier kannst du nicht nur den Podcast hören, sondern auch das gesamte Gespräch mit Eva-Maria Willach und Anke Gehlhaar nachlesen. Gemeinsam sprechen wir über die TRAGER®-Methode und wie sie dabei helfen kann, auch im Alter mühelos beweglich, lebendig und voller Lebensfreude zu bleiben. Dabei geht es nicht nur um Leichtigkeit, sondern auch darum, wie wir mit körperlichen Veränderungen, Schmerzen und dem natürlichen Alterungsprozess auf eine neue, entlastende Weise umgehen können. Dieser Podcast lädt dich ein, die Sprache deines Körpers neu zu entdecken. Ich bin Petra, international anerkannte TRAGER®-Instruktorin und Seminarleiterin.
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Zwei Frauen, ein Weg: Eva-Maria & Anke leben TRAGER®
In dieser Folge erkunden wir gemeinsam, wie Bewegung, Berührung und Bewusstsein unser Leben bereichern können. Dazu freue ich mich besonders, zwei wunderbare Frauen begrüßen zu dürfen: Eva-Maria Willach und Anke Gehlhaar aus Hamburg. Eva-Maria ist erfahrene TRAGER®-Instruktorin und Anatomie-Lehrerin, Anke eine langjährige Tutorin. Beide verbindet eine tiefe Freundschaft, und sie haben über viele Jahre hinweg angehende TRAGER®-Praktiker begleitet und ihr wertvolles Wissen weitergegeben.
Nun ziehen sie sich allmählich aus der aktiven Arbeit im Außen zurück, doch ihr tiefes Verständnis und ihre reiche Erfahrung bleiben lebendig – spürbar in allem, was sie weitergeben. Ihr Wirken hat viele Menschen geprägt, und ich freue mich darauf, mit ihnen über ihre persönliche TRAGER® Reise zu sprechen.
Herzlich willkommen, liebe Anke und liebe Eva-Maria. Danke für eure Bereitschaft, uns an eurer jahrzehntelangen persönlichen und fachlichen Erfahrung teilhaben zu lassen. Ihr seid 76 bzw. 84 Jahre alt und verkörpert TRAGER® mit beeindruckender Hingabe und Lebendigkeit. Mich interessiert: Wie seid ihr ursprünglich zur TRAGER®-Methode gekommen? Was hat euch damals daran fasziniert und dazu bewegt, diesen Weg einzuschlagen?
„TRAGER® ist zu mir gekommen“ – Wie ein Workshop alles veränderte
Anke: Ja, grüß dich, liebe Petra. Ganz lieben Dank dir, dass du ganz offensichtlich diese wunderbare Arbeit machst und uns interviewst. Ich bin ganz neugierig und gespannt, wie sich das entwickelt. Wenn du wissen willst, wie ich zu TRAGER® gekommen bin – das war tatsächlich ein merkwürdiger Prozess. Eigentlich ist es umgekehrt zu mir gekommen! Und es gibt dazu eine humorvolle Geschichte: Mein Mann fing damals an, sich für Gestalttherapie zu interessieren und entzog sich so meiner „ständigen privaten Verfügbarkeit“ (lacht). Also habe ich mich umgeschaut – und was finde ich? Eine dreijährige Ausbildung in der Esalen-Massage. Dann habe ich einen Workshop gemacht und fand das super. Ich dachte: Okay, das mache ich. Und dann passierte etwas Spannendes: Das erste Training, das ich besuchte, wurde von Dean Juhan geleitet. Ich weiß nicht, ob du das weißt, aber er war damals eingeladen worden, um am Esalen-Institut ein Beginner-Training zu geben. Das, was heute Level 1 der TRAGER®-Arbeit ist, war damals ein zehntägiges Einsteiger-Training.
Petra: Wow, wie lange ist das her?
Anke: Ich war damals 42 Jahre alt – das ist jetzt 41 Jahre her. Ein anderes Universum, könnte man sagen!
Petra: Also bist du Dean Juhan begegnet, als das heutige Level 1 noch ein Beginner-Training war?
Anke: Ja, genau! Und das war so eine andere Erfahrung. Es lief fast routinemäßig ab: Er hatte ein Vokabular, das er wie eine Art Choreografie abgearbeitet hat. Beine – zack, zack, zack, Schultern – zack, zack, zack – und es ging immer weiter. Du konntest dir alles gut merken, es war total einfach und klar strukturiert. Und die größte Freude für mich war, dass ich immer in Bewegung war. Wenn ich jemanden berührte, stand ich nicht tief versunken in Meditation – sondern ich war in Bewegung und zugleich ganz bei mir. Und ich glaube, das ist etwas, das mich bis heute begleitet in dieser Arbeit: Immer wieder, egal wo ich bin – wie geht es mir? Fühlt sich mein Körper leicht an? Stehe ich gut auf dem Boden? Spüre ich mein Gewicht?
Die ganze Ausbildung in Esalen war so spannend und so schön. Aber: Ich bin dann trotzdem den TRAGER®-Weg gegangen und habe diesen Teil der Esalen-Massage eigentlich sehr vernachlässigt.
Reisen, lernen, lehren: Ankes bewegte TRAGER®-Jahre
Anke: Ich bin viele Jahre in der TRAGER®-Arbeit geblieben. Und was für mich dabei auch reizvoll war, war das Reisen! Damals gab es in Deutschland fast nichts – keine Trainings, kaum Strukturen. Die ersten Lehrgänge fanden in der Schweiz oder in Frankreich statt. Die ersten großen Konferenzen waren in den USA. Diese Möglichkeit, zu reisen, neue Menschen kennenzulernen und die TRAGER®-Methode auf der ganzen Welt zu erleben, war für mich eine ganz besondere Erfahrung.
Petra: Also hast du dich ursprünglich für die Esalen-Massage angemeldet – und bist dann bei TRAGER® gelandet
Anke: Ja, genau so war es!
Ein Flyer, ein Aha-Moment – und der Beginn einer lebenslangen Reise
Petra: Und du, liebe Eva-Maria, wie ist TRAGER® zu dir gekommen?
Eva-Maria: Es ist mir zugefallen, kann ich nur sagen. Ich hatte bereits verschiedene psychotherapeutische und körperorientierte Methoden gelernt und wollte zu einer Fortbildung in Hamburg an mein Institut gehen. Und dann sah ich zufällig einen Flyer. Darauf stand, dass nebenan eine TRAGER®-Präsentation stattfinden würde. Ich wusste bis dahin überhaupt nicht, dass TRAGER® in Deutschland bereits angekommen war! Ich kannte es nur aus Brasilien – von meiner Schwester, die am Esalen-Institut vor fast zehn Jahren ihren ersten TRAGER®-Kurs absolviert hatte. Also ließ ich meine eigentliche Fortbildung sausen und ging stattdessen zu dieser TRAGER®-Präsentation.
Das erste Mal auf der Liege: Der Körper versteht
Eva-Maria: Als ich dort ankam, sah ich Anke und einen jungen Mann – und einen schön dekorierten Massagetisch. Ein paar Frauen waren bereits dort, aber sie wirkten etwas zögerlich. Dann begannen Anke und ihr Kollege mit uns Mentastics zu machen. Sie sagten Dinge wie: „Heb mal deine Schulter, als wären da Bindfäden dran.“ Und ich dachte nur: Sind die bescheuert? Ich hatte überhaupt keinen Bezug zu dieser Bilderwelt. Dann boten sie an, dass sich jemand auf den Tisch legen könne – aber keiner wollte! Also ging ich nach vorne und sagte: Ich gerne! In dem Moment, als ich auf dem Rücken auf dieser schön geschmückten Massageliege lag, nahm dieser junge Mann mein Bein und machte eine sanfte Längung daran. Und plötzlich verstand ich etwas, das mir in all meinen vorherigen körpertherapeutischen Ausbildungen nie richtig klar geworden war.
Das Lösen des Schreckreflexes – ein zweites Wunder
Eva-Maria: In der Gerda Boyesen-Arbeit, die ich zuvor gelernt hatte, sprach man immer vom Schreckreflex des Körpers – einem Zustand, in dem sich alle Beuger automatisch zusammenziehen. Die Idee war, diesen Reflex zu lösen – aber so richtig verstanden hatte ich das nie. Doch in dem Moment auf dem Tisch, als mein Bein immer länger und länger wurde, begriff ich es. Es war ein echtes Aha-Erlebnis. Das zweite Wunder passierte, als ich über ein Jahr lang regelmäßig TRAGER®-Sitzungen bei Anke nahm. Ich hatte seit Jahren Rückenprobleme, immer wieder Hexenschüsse – und plötzlich waren sie verschwunden! Und nicht nur das – sie blieben weg, obwohl ich älter wurde. Das war für mich ein großes Zeichen: Diese Methode verändert nicht nur den Moment, sondern kann wirklich nachhaltig wirken.
„Das mache ich, bis ich in die Kiste springe“ – Warum Eva-Maria blieb
Eva-Maria: Nachdem ich so viele positive Veränderungen an mir selbst erlebt hatte, wollte ich mehr wissen. Ich beschloss, ein Einführungsseminar zu machen. Und dann passierte das dritte Wunder: Ich meldete mich direkt eine Woche später für das Level 1 (damals Beginning Training) an. Dort habe ich so viel über mich selbst gelernt – wie ich gehe, wie ich mich halte, wie ich mich im Raum bewege. Diese eine Frage begleitet mich seither: „Was könnte leichter sein?“ Und in dem Moment war mir klar: „Ich mache das jetzt – bis ich in die Kiste springe.“ Und so ist es auch geblieben.
Was uns geschmeidig hält – und was wirklich hilft, wenn der Körper steifer wird
Petra: Das ist ja eine wunderbare Geschichte! Was mich sehr interessiert, ist die Frage nach der Qualität von Bewegung im Alter. Wenn ich auf der Straße Menschen beobachte – vor allem ältere Menschen – sehe ich oft, dass sie gebückt gehen und in jeden Schritt hineinfallen. Jedes Mal schlägt das in die Bandscheiben und Gelenke. Viele Menschen verlieren im Alter ihre Flexibilität und Geschmeidigkeit. Dabei sind anmutige, fließende Bewegungen etwas, das uns stabil macht. Schau dir eine Weide im Wind an: Sie biegt sich sanft, bleibt geschmeidig – und genau darin liegt ihre Stabilität. Was starr ist, kann leichter brechen oder umfallen. Deshalb finde ich es so wertvoll zu fragen: „Wie können wir diese geschmeidigen, anmutigen Bewegungen zurückfinden?“ Ich bin gespannt auf eure Gedanken dazu – aus eurer eigenen Erfahrung und aus eurer Arbeit mit anderen.
Türrahmen, Moos & Mentastics: Spielerische Wege zur Leichtigkeit
Anke: Das ist eine spannende Frage! Und du bist für mich damit direkt voll in die Gegenwart gesprungen – ins Fließende. Aber wenn ich ganz ehrlich bin: Altwerden bedeutet für mich auch, steifer zu werden. Ich stehe morgens auf – und bin einfach steif. Ich habe Probleme mit der Hüfte, ich kann nicht immer ordentlich gehen, und all diese kleinen Dinge sind einfach da. Ich merke zum Beispiel, dass ich abends kleiner bin als morgens. Also hänge ich mich an die Tür, lasse das Becken hängen, lasse mich in die Länge wachsen. Und weißt du was? Es ist ein ständiges Spielen mit meinem Körper – den ganzen Tag lang. Ich sitze, ich merke, dass ich schrumpfe, dass ich mich zusammenziehe. Früher hätte ich das vielleicht nicht einmal bemerkt! Das ist für mich das größte Geschenk der TRAGER®-Arbeit: Ich nehme es überhaupt wahr. Ich spüre: Oh, ich bin richtig zusammengezogen! Und dann kann ich etwas tun. Ich habe inzwischen so viele Werkzeuge und Bewusstseinstechniken, dass ich mich fragen kann: „Wie kann ich jetzt damit umgehen?“ Manchmal sind es ganz banale Dinge:
- Ich hänge mich an die Tür, um mich lang zu machen.
- Ich hüpfe, springe, tanze – und frage mich dabei: Wie fühlt es sich sanfter an?
- Und wenn ich draußen gehe, stelle ich mir vor, dass ich über Moos laufe.
Das Bild hilft mir besonders, wenn ich auf hartem Untergrund unterwegs bin – auf Pflastersteinen oder Asphalt. In dem Moment, in dem ich mir vorstelle, dass der Boden unter meinen Füßen weich ist, verändert sich mein Gang. Meine Schritte werden sanfter, meine Gelenke federn mehr, und ich merke, dass ich viel leichter laufe.
Petra: Das Bewusstsein für den Moment ist so wichtig. Und du schenkst uns mit deinen Worten wunderbare Bilder – wie das Gehen auf Moos, oder die Frage: „Wie kann ich in die mühelose Aufrichtung kommen?“
Von Schmerzspiralen zu innerer Freiheit – durch achtsames Spüren
Anke: Ja, genau. Und es verbindet sich so vieles, was ich aus verschiedenen Bereichen kenne, und landet immer wieder bei TRAGER® – über dieses innere Fragen. Das ist für mich einer der Hauptaspekte, die mir zur Verfügung stehen: Wie könnte es denn sein? Im Gegensatz zu einem bloßen Wiederholen von bekannten Bewegungsabläufen – sei es aus Tanz, Gymnastik oder Yoga – geht es bei TRAGER® darum, neu zu entdecken. Nicht nur das, was ich bereits kenne, sondern wirklich: Wie könnte es sich in diesem Moment anfühlen?
Ich erinnere mich an eine ganz besondere Erfahrung. Während eines Anatomie-Trainings mit Eva hatte ich starke Probleme mit meiner Wirbelsäule. Sitzen war unmöglich, nur Liegen oder Stehen ging. Eva machte draußen Mentastics, aber jeder Schritt war eine Qual. Und dann kam plötzlich dieser Moment – wie ein innerer Blitz. Ich stellte mir die Frage: „Was ist eigentlich Schmerz?“ Anstatt gegen den Schmerz anzukämpfen, bin ich innerlich wirklich auf die Reise gegangen: Wie fühlt sich das an? Wo sitzt der Schmerz? Wo ist er stärker, wo weniger? Bewegt er sich? Und tatsächlich merkte ich, dass er nicht nur in der Hüfte sitzt – er wanderte! Mal war er hier, mal da, mal intensiver, mal schwächer. Ich begann, ihn zu erforschen, einfach wahrzunehmen. Eva machte währenddessen 20 Minuten lang Mentastics. Und als wir fertig waren, fühlte sich der einst riesige „Mount Everest“ an Schmerz plötzlich nur noch wie ein kleiner Hügel an. Ich habe seitdem nie vergessen, wie sich Schmerz im Körper oft zu einem großen, überwältigenden Konstrukt aufbaut – obwohl das eigentliche Zentrum oft nur ein winziger Punkt ist. Aber wenn wir mit unserer Wahrnehmung ganz da sind, uns dem Schmerz ohne Widerstand zuwenden, kann sich das ganze System um ihn herum lösen.
Petra: Du hast es so schön beschrieben: Schmerz ist oft wie ein Alarmsignal. Der Sympathikus ist getriggert, und wir geraten in eine Art Schmerzspirale. Doch wenn wir beginnen, auf uns zu lauschen, wenn wir in den Körper hineinspüren, statt ihn zu bewerten oder den Schmerz einfach nur loswerden zu wollen, dann passiert etwas Erstaunliches. Für mich ist es jedes Mal ein Geschenk und ein Wunder, wenn allein durch liebevolle Aufmerksamkeit die Schmerzspitze sich auflöst – oder der Schmerz sogar ganz verschwindet.
Das lernende Gehirn – Wie neue Bewegungen neue Wege bahnen
Petra: Eva-Maria, du bist nicht nur TRAGER®-Instruktorin, sondern auch Anatomie-Lehrerin. Und du weißt, dass die Neuroplastizität des Gehirns bis ans Lebensende erhalten bleibt.
Eva-Maria: Ja, das ist tatsächlich eine der erstaunlichsten Entdeckungen der letzten Jahre. Unser Gehirn verändert sich ständig, es lernt ein Leben lang dazu. Das, was wir häufig nutzen, wird gestärkt – das, was wir nicht mehr brauchen, wird abgeschaltet. Früher dachte man, dass das Gehirn ab einem bestimmten Alter weitgehend starr sei. Heute weiß man, dass es sich bis zum Lebensende immer wieder neu vernetzen kann. Besonders beeindruckend finde ich die Anzahl der synaptischen Verbindungen. Man geht davon aus, dass das Gehirn etwa 86 Milliarden Neuronen besitzt – das ist etwa zehnmal so viel, wie es Menschen auf der Welt gibt! Aber das Erstaunliche ist, dass jede dieser Nervenzellen Tausende von Verbindungen zu anderen Nervenzellen aufbaut. Wenn man sich diese Dimension vorstellt, wird klar, dass das Gehirn unglaublich aktiv ist und sich ständig weiterentwickelt. Das bedeutet: Wir können immer lernen, neue Bewegungsmuster etablieren und unsere Wahrnehmung verändern – egal in welchem Alter.
In den letzten Jahren habe ich viele Fortbildungen bei Eileen Dickinson gemacht, die wissenschaftliche Erkenntnisse über die Prinzipien der TRAGER®-Arbeit zusammenfasst. Sie liest und analysiert alle neuen Forschungsergebnisse – etwas, wofür ich selbst nicht immer Zeit habe, aber wovon ich sehr profitiere. Mich fasziniert besonders die Verbindung zwischen Faszien und Bewegung, vor allem in Bezug auf das Gehen. Wenn ich laufe, stelle ich mir vor, dass ich mich aus der Erde nach oben katapultieren lasse. Es ist ein bewusstes Einsinken mit dem Gewicht – aber gleichzeitig passiert in den Faszien eine Verschraubung, die mich automatisch wieder nach oben treibt. Besonders wenn ich müde bin, wenn ich mit schweren Einkaufstaschen über das harte Pflaster gehe, hilft mir diese Vorstellung enorm. Ich frage mich dann: „Wie fühlt sich das Aufkommen meiner Füße auf dem Boden an? Kann ich ihn bewusst wahrnehmen?“ Es geht nicht nur um die Fußsohlen. Dieses Prinzip betrifft den ganzen Körper, denn Faszien wirken überall – sie verbinden alles. Es ist kein isolierter Muskel, kein einzelnes Gelenk, sondern ein ganzheitliches System. Und wenn ich mich dieser Bewegung bewusst hingebe, spüre ich, dass mein Körper sich selbst nach oben trägt.
Du hast vorhin über ältere Menschen gesprochen, die gebückt gehen und mit jedem Schritt quasi in den Boden fallen. Und genau das tut mir oft richtig weh, wenn ich es sehe. Denn dort fehlt diese aufwärtsgerichtete Bewegung, die man bei jungen Menschen noch ganz natürlich sieht. Man erkennt es daran, dass ihr Rücken nicht mehr mitschwingt, die Arme steif bleiben und sich nicht mehr in der natürlichen Spiralbewegung mitbewegen. Besonders deutlich wird das, wenn ältere Menschen einen Rollator benutzen. Da die Hände fest am Griff fixiert sind, bleibt die natürliche Rotation der Schultern aus, die normalerweise Teil eines gesunden Gangmusters ist. Diese Bewegung ist jedoch essenziell, um die Wirbelsäule geschmeidig zu halten und eine dynamische, anmutige Fortbewegung zu ermöglichen.
Deshalb ermutige ich ältere Menschen, wenn möglich, lieber mit Gehstöcken zu gehen, da diese die natürliche Rotation der Schultern und den rhythmischen Fluss der Bewegung unterstützen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir diese Dynamik wieder spüren und genießen lernen.
Der Körper als Tanz der Spiralen – Faszien, Haltung und fließender Gang
Petra: Ja, unser ganzer Körper funktioniert spiralförmig! Die Faszien, die Muskeln, sogar die Knochen – alles ist in einer Spiralform angeordnet. Man kann das wunderbar beobachten:
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- Wasser, das durch einen Abfluss läuft, bewegt sich spiralförmig.
- Die Helix unserer DNA ist spiralförmig.
- Selbst unser Gang kann spiralig sein, wenn er geschmeidig und anmutig bleibt.
Diese Spiralbewegung hilft uns, die Beweglichkeit im Körper zu bewahren. Unser Brustbein schwingt entgegengesetzt zum Kreuzbein, so schwingen die Arme gegenläufig mit – das alles ermöglicht uns ein natürliches, federndes Gehen. Und genau das ist es, was vielen Menschen mit der Zeit verloren geht.
Warum Rennen leichter ist als Gehen – auch mit 80
Anke: Was für mich ein total spannendes Erlebnis war, ist das Treppensteigen. Ich habe mir angewöhnt, Treppen zu laufen, statt zu gehen – und das verändert alles. Wenn ich Treppen langsam, Stufe für Stufe gehe, muss ich meine ganze Muskelkraft nutzen, um mich auf die nächste Stufe zu heben. Aber wenn ich stattdessen laufe, also renne, dann nutze ich das fasciale Federsystem. Die Bewegung trägt mich automatisch nach oben – es fühlt sich so viel leichter an! Ich habe das auch schon Freunden gezeigt. Erst lachen sie, aber dann probieren sie es aus und sagen: „Das ist ja komisch – aber es funktioniert!“
Petra: Das werde ich ausprobieren! Ich verspreche dir, ich werde an dich denken.
Wenn die Hände sprechen – Wie Körperarbeit sichtbar wirkt
Petra: Ja, und das Schöne ist ja auch, dass wenn Menschen zum Beispiel bei mir in der Praxis von der Liege aufstehen, eine Veränderung sichtbar stattfindet. Vorher war vielleicht das Gefühl von Kontraktion da – und plötzlich zeigt sich eine mühelose Aufrichtung, die wie von selbst geschieht. Ein Gesicht, das vorher faltig und angestrengt wirkte, ist auf einmal glatter, entspannter. Die Anstrengung ist gewichen. Die Augen leuchten aus einer inneren Tiefe heraus, sie sind viel klarer – als käme die Lebendigkeit hervor. Für mich ist Berührung und Körperarbeit auch ein Verjüngungsprozess. Und das dürfen wir uns holen, wo immer es möglich ist.
Warum Berührung auch im Alter keine Nebensache ist
Was mir immer wieder bewusst wird, ist, wie sehr in unserer Gesellschaft – besonders in Pflegeheimen und Krankenhäusern – die essenziellen Elemente für ein lebendiges Körpergefühl fehlen. Ähnlich wie bei Kindern, deren Entwicklung durch Sprache, Berührung, Rhythmus und Bewegung gefördert wird, brauchen auch ältere Menschen diese Form der Ansprache. Doch genau das geht oft verloren. Es fehlt an Berührung, an sanften, fließenden Bewegungen, an Rhythmus, an einer Sprache, die den Körper mit einbezieht und Resonanz schafft. Dabei sind wir Menschen zutiefst darauf angewiesen – nicht nur als Kinder, sondern unser Leben lang. Gerade in Pflegeeinrichtungen wäre es so wichtig, mehr Raum für achtsame Berührung, spielerische Bewegung und rhythmische Impulse zu schaffen. Das könnte nicht nur Isolation und Ängste lindern, sondern auch das Körperbewusstsein stärken und die Menschen wieder mehr mit sich selbst in Verbindung bringen.
Es gibt TRAGER®-Praktiker überall – vielleicht möchtest du in den Show Notes nachschauen, wo jemand in deiner Nähe ist und diese Erfahrung selbst machen.
Und wenn du dich für die Ausbildung interessierst, kannst du dich informieren, wie du diese Methode in dein Leben und in verschiedene Lebensbereiche bringen kannst.
Beweglichkeit beginnt im Geist – Eine Einladung zur Körperwahrnehmung
Petra: Was für ein inspirierendes Gespräch! Ein ganz großes Dankeschön an euch, liebe Anke und liebe Eva-Maria, dass ihr euren wertvollen Erfahrungen, eure Begeisterung und euer Wissen mit uns geteilt habt. Dieses Gespräch hat uns einmal mehr gezeigt, dass Beweglichkeit und Lebensfreude keine Frage des Alters sind – sondern eine Frage der Achtsamkeit, der Neugier und der Verbindung mit unserem eigenen Körper.
Ich hoffe, dass du als Zuhörerin oder Zuhörer aus dieser Folge wertvolle Impulse für dich mitnehmen konntest. Vielleicht spürst du jetzt auch die Einladung, deinen Körper mit mehr Leichtigkeit wahrzunehmen und Bewegungen neu zu entdecken.
Wenn dir diese Episode gefallen hat, freue ich mich, wenn du den Podcast abonnierst, teilst oder mir eine Nachricht hinterlässt. Lass mich wissen, was dich bewegt!
Bis zum nächsten Mal bei „Vom Leben berührt“ – dem Podcast für transformative Körperarbeit.
Ganz herzlichen Dank an euch beide. Alles Liebe! Tschüss, Anke, Tschüss liebe Eva-Maria.
Links
Kontakt & weitere Informationen: Falls du Fragen hast oder Interesse an einer TRAGER®-Sitzung hast, kannst du die beiden direkt erreichen unter:
Eva-Maria Willach: eva.willach@gmail.com
Anke Gehlhaar: ansie.gehlhaar@t-online.de
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