Wir Menschen bewerten ständig – meist unbewusst, in Bruchteilen von Sekunden. Wir sortieren ein: gefährlich oder sicher, angenehm oder unangenehm, richtig oder falsch. Das schafft Orientierung und gibt Halt. Doch oft sind diese Bewertungen wie Brillen, die wir uns irgendwann aufgesetzt haben – geprägt von Erfahrungen, Schutzmechanismen und alten Mustern. Manchmal sind sie hilfreich, manchmal trennen sie uns von dem, was eigentlich da ist.
In der TRAGER®-Körperarbeit spielt diese innere Haltung eine entscheidende Rolle. Denn wie ich einem Menschen begegne, schwingt in jeder Berührung mit.

Wenn mein Wollen Spannung erzeugt

Ein Beispiel aus der Praxis: Ich spüre im Körper meines Gegenübers Festigkeit, vielleicht ein Festhalten im Schultergürtel. Früher wäre mein Impuls gewesen: „Ich möchte, dass du loslässt.“ Doch in diesem Moment erkenne ich: Dieses „Wollen“ ist mein eigener Widerstand. Ich möchte einen Zustand herbeiführen, statt den jetzigen Moment anzunehmen.

Und Widerstand erzeugt Gegenspannung – so wie zwei Hände, die gegeneinander drücken.
Wenn ich stattdessen selbst innerlich weicher werde, feiner, offener, verändert sich die Qualität der Berührung. Das Dahinterliegende bekommt Raum. Und oft geschieht dann etwas Überraschendes: Der Impuls zum Loslassen kommt von innen heraus – ganz von selbst.

Resonanz statt Kontrolle

Ein schönes Bild dafür ist das Klavier:
Schlägt man in einem Raum einen Ton an, beginnt die entsprechende Saite im Klavier mitzuschwingen – auch wenn man es kaum hört. So sind auch wir Resonanzkörper. Meine innere Haltung – ob weich, frei, bejahend oder eng, kontrollierend – wirkt wie ein Ton, der unweigerlich mitschwingt. Wenn ich innerlich sage: „Es ist gut, wie du gerade bist“, spürt der Klient das. Diese stille Wertschätzung wird verkörpert, nicht gespielt. Und genau diese Qualität eröffnet neue Räume.

Sprache des Körpers – Sprache des Inneren

TRAGER® fragt: Wie klingt meine innere Sprache?

  • Ist sie nährend, wohlwollend, bejahend?

  • Oder trägt sie Schärfe, Druck, Enge?

Unsere Sprache – im Innen wie im Außen – ist ein feines Navigationssystem. Sie kann verbinden, aber auch filtern, einengen, trennen. Im Körper zeigt sich das unmittelbar: Ein Gedanke wie „Du solltest endlich entspannen“ erzeugt Druck. Ein inneres „Es ist gut, wie du bist“ schafft Weite.

Praxisbeispiele: kleine innere Verschiebungen

  • Beim Bewegen einer Schulter: Statt „Ich löse deine Spannung“ zu denken, frage ich mich: „Wie kann ich selbst freier werden, während ich dich bewege?“ Oft wird die Bewegung dadurch runder – und die Schulter folgt von selbst.

  • Beim Halten einer Hand: Wenn ich erwarte, dass sie loslässt, bleibt sie oft fest. Wenn ich selbst innerlich loslasse, entsteht Vertrauen – und die Hand findet ihre eigene Weichheit.

  • Im Gespräch: Selbst meine Worte wirken anders, wenn ich sie aus einer offenen, neugierigen Haltung heraus sage. Nicht als Urteil, sondern als Einladung.

Jenseits von richtig und falsch

Bewertung muss nicht verschwinden – sie gehört zum Leben. Aber ich kann sie bemerken, mich liebevoll ertappen. Statt sie zu bekämpfen, kann ich neugierig fragen: Was passiert, wenn ich dich ohne meine alte Brille sehe?
So wird Begegnung zu einem Raum jenseits von richtig und falsch – ein Raum von Präsenz, Offenheit, Resonanz.

Vertrauen als Anfang

Im Kern ist TRAGER® weniger eine Technik als eine Haltung. Eine Haltung des Vertrauensvorschusses – dass im Menschen selbst etwas Lebendiges wirkt, etwas Weisendes, das seinen eigenen Rhythmus kennt. Ich muss nichts erzwingen, nichts „machen“. Wenn ich weich und durchlässig bin, kann dieses Eigene auftauchen. Vielleicht beginnt es ganz klein: im Lauschen. Im Spüren. Im Erkennen, dass ein inneres Ja kraftvoller ist als ein Nein.
Und in diesem Raum, jenseits von Bewertung, entsteht Berührung, die nicht trennt – sondern trägt.
Eine Berührung, die uns erinnert: Wir sind Resonanzkörper füreinander – und manchmal genügt es, leise mitzuschwingen.

Wenn dich das Thema berührt, kannst du gerne in meinen Podcast „Jenseits von Bewertungen“ hineinhören – oder hier das Transkript dazu lesen:


Jenseits von Bewertungen beginnt innere Freiheit

Wie bin ich da?

Wie klingt meine Sprache – im Außen, im Innen?

Kann ich ihr lauschen, als würde ich sie zum ersten Mal hören?

Wie ist sie: nährend, bejahend, wohlwollend?

Oder trägt sie Schärfe, Enge, Trennung?

Wir bewerten – oft unbewusst, in Bruchteilen von Sekunden.

Das gibt uns Orientierung und Sicherheit.

Wir erkennen Werte, ziehen Linien, sortieren ein.

Unsere Sprache wird zum inneren Navi.

Doch wann wird sie zur Schublade, zur Wand, zum Filter?

Wann verliere ich dich – und mich selbst – aus dem Blick?


Werte ich auf oder ab?

Was ist „wertvoll“, was „wertlos“ – und wer entscheidet das?

Wie oft spreche ich aus einer alten Brille, einer Prägung,

die mich schützen sollte –

und heute das Leben eng macht?

Was wäre, wenn ich diese Brille einen Moment ablegen könnte?

Wenn ich dich neu sehe –

mit offenen, staunenden Augen, wie ein Kind.

Wenn ich mich frage:

Was ist wirklich da – jenseits von richtig und falsch?

Ich möchte mir auf die Schliche kommen.

Mich liebevoll ertappen,

wann ich in alten Mustern urteile, besser weiß, trenne.

Nicht um mich zu beschämen –
sondern um Räume zu öffnen.

Neugier säen.

Offene Fragen stellen.

Verbindung wählen.

Vielleicht beginnt es im Kleinen:

Im Lauschen. Im Spüren.

Im Erkennen, dass mein Ja kraftvoller ist als mein inneres Nein.

Dass echte Wertschätzung still beginnt –
und alles durchdringen kann.

Wenn ich im Jetzt verweile, ohne zu werten,

berührt mich etwas Tieferes.

Etwas, das trägt.

Das liebt, ohne zu vergleichen.

Das nicht besser weiß – sondern einfach da ist.

✨ Teile gerne deine Gedanken in den Kommentaren – wie beim Klavier, das auf einen Ton antwortet, wächst auch hier Resonanz im gemeinsamen Schwingen. 🤸‍♀️🌿