Berührungsqualität ist eines der wertvollsten und schönsten Themen in der ganzheitlichen Körperarbeit. Berührung ist eine besondere Form der Kommunikation und des Kontakts, die auch jenseits von Worten wirksam ist. Sie ist die Sprache, die das Leben berührt und Energie zum fließen bringt.
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Doch weder in der Schule noch in unseren Ausbildungen haben wir gelernt, was es bedeutet verbunden, ganzheitlich und liebevoll zu berühren und wir „begreifen“ erst später mit unseren Händen die tiefe heilsame Kraft, die sich in das Leben und in alle Bereiche hinein entfalten mag. Wir können nicht nicht berühren, wir berühren immer. Und wir können nicht berühren ohne selbst berührt zu sein. Wir sind in Resonanz mit allem was uns umgibt und wir bestimmen mit unserem Bewusstsein und unserer inneren Haltung den Klang der Resonanz.
Ganzheitliche Berührungsqualität unterstützt die Heilung
Liebevolle und wertschätzende Berührung haben unsere Eltern, die vielfach noch im Krieg groß geworden sind, selten erfahren und so spiegelt sich auch heute noch eine Form der Berührungsarmut in unserer Gesellschaft und in unseren Berufen wieder. Die Apparatemedizin steht häufig über einer sorgfältig fundierten, körperlichen Untersuchung. In den Pflegeberufen bleibt unter dem Einfluss der Standardisierung kaum Zeit für individuelle Zuwendung. Physiotherapeuten lernen detailliert die funktionellen Zusammenhänge des Bewegungsapparates und arbeiten vielfach mechanisch und punktuell im 20 Minuten-Fließband-Akkord. Den Medizinstudenten wird Mitgefühl und Menschlichkeit regelrecht abtrainiert, denn es soll möglichst alles reibungslos funktionieren und ohne weitere Störungen ablaufen. Doch gerade die Menschlichkeit ist es, die uns berührt und den Heilungsprozess unterstützt. Unter Stress und Angst verschließt sich der Körper. Empfindet der Mensch jedoch Respekt, Wohlwollen und Liebe, ist er sicher und geborgen. Erst in der Entspannung öffnet sich der Körper und der sog. parasympathische Heilnerv wird für einen harmonischen Heilungsprozess sorgen.
Berührung verbindet uns mit unseren Emotionen
Unangenehmen Gefühlen wollen wir in der Regel lieber aus dem Weg gehen und so ist es verständlich und zugleich verhängnisvoll, dass sich Menschen und Institutionen lieber hinter Funktionsanalysen, Techniken und Formalitäten verstecken, um mit dem eigenen Inneren nicht in Berührung zu kommen. Für viele Menschen ist Berührung ein Wagnis, auf dass man sich lieber nicht einlassen sollte. Berührung löst Emotionen aus und die Kontrolle darüber wollen wir nicht verlieren. Angst vor Verletzung und Zurückweisung lässt die Menschen vorsichtig und zurückhaltend sein. Dabei liegt in dieser Angst zugleich die tiefste Sehnsucht, sie zu erlösen und zu befreien. Durch Vermeidungsstrategien verhindern wir Heilung bei uns selbst und natürlich auch bei unserem Gegenüber, vor allem dann, wenn wir diese unbewusst übertragen. Daher braucht es als Basis immer eine gute Verbindung und Kontakt zu uns selbst und eine gute Eigenreflexion, ganz besonders dann, wenn wir in Heilberufen tätig sind.
Den Schmerz annehmen
Ich erinnere mich, wenn ich früher ein Baby schreien hörte, ist mir das durch Mark und Bein gefahren. In mir löste das, ohne das mir das bewusst war, einen bohrenden Schmerz der Verlassenheitsangst aus, den ich als neugeborenes Baby gefühlt habe. Als mir der Zusammenhang klar wurde, konnte ich das alleingelassene Baby von damals liebevoll in mir halten und ihm Trost schenken. Wenn die verletzen Anteile in uns heilen, sind wir in der Lage, souverän und gelassen zu handeln und die Mutter kann den Schmerz ihres weinenden Babys annehmen und in Liebe halten, anstatt in wildem Aktionismus ihrem Kind Schokolade & Co in den Mund zu schieben.
Geburt und Sterben sind die stärksten und intensivsten Momente des Lebens. Und gerade da wird in Krankenhäusern so viel interveniert, um die eigene Angst zu kompensieren. Dabei braucht es oftmals gar nicht viel. In dem Moment wo wir beginnen liebevoller und respektvoller mit uns selbst umzugehen, spüren wir deutlicher was es in dem Moment wirklich braucht und können hilfreiche Entscheidungen treffen und dem Fluss des Lebens vertrauen. Welche Berührungsqualität brauchst du, damit es dich erreicht? Kannst du fühlen und wahrnehmen was du brauchst, was deine Bedürfnisse sind und sie auch zum Ausdruck bringen?
Die eigenen Bedürfnisse kennen lernen
Als ich das erste Mal bewusst gefragt wurde, was mein Bedürfnis ist, konnte ich keine Antwort geben. Ich fühlte mich wie ein unbeschriebenes Blatt. Wieso konnte ich nicht antworten?? Ich hatte mich das selbst nie gefragt und wurde auch nicht danach gefragt. Wir haben gelernt, mit der Aufmerksamkeit beim Anderen zu sein und besonders wir Frauen schauen darauf was der Partner braucht, was die Kinder brauchen, was der Chef braucht, was die Eltern brauchen, was der Kunde oder der Patient braucht… Getreu dem Glaubenssatz: „Sei nett, lieb und brav“ sind schon unsere Mütter groß geworden. Sie wollten lieber nicht anecken oder unangenehm auffallen. Männern geht es häufig nicht anders: Sie werden von klein auf erzogen, dass sie überall der Beste sein müssen, wenn die Väter keine Schwäche dulden.
Unser Ur-Grund
Der Mensch ist enorm anpassungsfähig und dem Neandertaler sicherte das einst sein Überleben. Wurde damals ein Mitglied, aus welchen Gründen auch immer, aus dem Rudel ausgeschlossen, wurde sein Überleben nahezu unmöglich. Daher wollen wir auch heute noch alles „richtig“ machen, damit kein Mitglied unserer „Herde“, verärgert ist und wir abgelehnt und ausgestoßen werden (z.B. von den Eltern und anderen nahen Bezugspersonen). Wir entwickeln einen Perfektionismus darin, es allen recht machen zu wollen und „opfern“ die Präsenz und die Wahrnehmung für uns selbst. Doch erst, wenn wir in uns selbst beheimatet sind und uns wahrnehmen und fühlen können, wird eine lebendige und authentische Begegnung erst möglich.
Dieses Ur-Grund-Bedürfnis nach Sicherheit, Geborgenheit und inneren Halt, haben viele Menschen nicht wirklich erfahren und wir kämpfen unbewusst jeden Tag darum.
Berührungsqualität in der Geburt
Besonders bedeutungsvoll und prägend ist der Moment der Geburt. In einer „technisierten“ Geburt ist häufig so viel Stress und Adrenalin im Raum, so dass wir uns als Baby innerlich zusammenziehen. Härte, Anspannung und eine Art innere Habachtstellung nehmen wir als „Überlebens-Schutz“ mit in unser Leben und diese Grundhaltung bestimmt unser Handeln. Wenn wir an jeder Ecke eine drohende Gefahr vermuten, sind wir misstrauisch und beginnen uns einzuigeln oder unsere „Pfründe“ bzw. unser „Revier“ mit Ellenbogen zu verteidigen. Die Welt wird immer egoistischer, wo es darum geht immer schneller, höher, weiter Gewinne auf Kosten von anderen zu erzielen. Wie viel weniger Prozesse würde es in der Geschäftswelt geben und wie viel weniger Kriege auf der Welt und in unseren Familien, wenn wir im tiefsten Kern unseres Seins sicher aufgehoben, geliebt und gehalten wären?
Diese Vorstellung ist kraftvoll und es fühlt sich für mich an, als würde die Menschheit und die Erde ausatmen, all die gehaltene Spannung aus unserem System und den vorangegangenen (und künftigen) Generationen abfließen. Wenn wir den Raum der Liebe und der Heilung betreten, verwandelt sich alles. Die Veränderung, sie geschieht nicht im Außen (der Politik), sie geschieht im Innern eines jeden Menschen. Jetzt. Wenn wir unseren inneren Impulsen wieder vertrauen, dann halten wir das Neugeborene in seiner reinen Unschuld und Vitalität sicher in unseren Armen und es darf zutiefst erfahren, es ist nicht allein und es braucht keinerlei Abspaltungs- oder Kompensationsmuster entwickeln, um „Überleben“ zu können.
Echte, ehrliche, authentische und wertschätzende Berührung, die dich erreicht, kann dich mit deinem Ur-Grund und deinen Ressourcen verbinden. Eine Rückanbindung an dein ursprüngliches Selbst.
Lebendige Kreativität
Ein lieber Mensch erzählte mir, wie er für sich die Kreativität entdeckt hat. Er lernte Klavier spielen und weil die üblichen Klavierschulen eher öde und mühsam sind, war er schon drauf und dran, die Musik an den Nagel zu hängen. Eine wunderschöne Übung, die nur eine Minute täglich dauert, inspirierte ihn. Er spielte einen einzigen Ton mit dem Gefühl, das dieser Ton der schönste Ton ist, den er je spielen wird und es folgten weitere in dieser wunderbaren Qualität… und so tauchte er wie selbstvergessen ganz darin ein. Aus einer Minute wurden, ohne dass er es bemerkte, 20 Minuten (und heute gibt er Vier-Stunden-Konzerte). Ich dachte mir, das probiere ich aus! Mein Freund und ich saßen im Konzertsaal und warteten auf den Beginn. Ich legte meine Hand behutsam in seinen Nacken mit dem Gefühl, dies ist die schönste Berührung die ich je in meinem Leben geben werde. Er schloss seine Augen und war von jetzt auf gleich in einer anderen Welt. Obwohl es nur eine „kleine“ Berührung war, geschah etwas Erstaunliches. Drei Menschen aus den vorderen Reihen drehten sich, wie magisch berührt, zeitgleich ihre Köpfe zu uns. All das geschah, ohne dass nur ein Wort gefallen war. Von der Wirkung war ich selbst überrascht. So ist es in allen Bereichen möglich, die Liebe für dich und dein Leben zu entdecken und zu erwecken. Wenn du malst, wenn du singst, wenn du tanzt, so ist jeder Strich den du zu Papier bringst, jeder Ton der aus deiner Kehle fließt und jede Bewegung deines Körpers, das Schönste und Wertvollste, was du je hervorbringst. Probiere es aus! Es ist ein kraftvolles Experiment, indem das Denken und Bewerten (und sich selbst verurteilen) endlich aufhört und dich in (d)einen eigenen intuitiven Flow bringt. Kreativität ist ein Prozess und er wird in jedem Augenblick neu geboren. Das bedeutet sich einlassen. Das bedeutet Intimität und Kontakt mit dir selbst (und mit Gott) und ist ein mutiger Schritt in das „Nicht-Wissen“.
Nichtwissen als Quelle der Erkenntnis und tiefer Verbundenheit
Normalerweise wird Nichtwissen als Schwäche und Dummheit bewertet. Heute entdecken wir den Schatz und die Fülle die im „Nichtwissen“ verborgenen liegt. Die Medizin und auch die Wissenschaft kann nicht wirklich erklären, wie Heilung geschieht. Wenn wir ehrlich sind, wissen wir nicht genau, wie es geht. Weder die Heilpraktik, noch eine Technik, ein Seminar, ein Buch, ein Film, ein Coaching oder irgendein anderer Therapieansatz weiß letztendlich wie es wirklich funktioniert. Selbst wenn ich ganz viel Erfahrung habe, weiß ich nicht ganz genau welche Abfolge, welcher Rhythmus oder genau welche Zutaten zusammen kommen müssen, damit Heilung möglich wird. Wenn ich mich auf das Nichtwissen einlassen kann, öffnet sich ein Raum jenseits von Gedanken, Konzepten, Vorstellungen und einengenden Vorgaben. Wir beginnen im Hier und Jetzt zu fühlen. Das Nichtwissen erlaubt, es nicht wissen zu müssen, nichts machen und leisten zu müssen, nicht stark oder perfekt sein zu müssen, es nicht alleine schaffen zu müssen und eine Lösung parat haben zu müssen. Der innere (Erwartungs-) Druck an uns selbst verschließt die Tür. Unter Druck arbeiten, rackern und verzehren wir unsere Kraft. Weder Ziehen noch Zerren hilft oder beschleunigt den Prozess. Die Frage ist, wann geschieht Heilung? Vielleicht hast du solch einen Moment schon mal erlebt und gefühlt? Es ist der Zauber, der entsteht wenn wir für einen Moment unsere Identität hinter uns lassen und vertrauen. Egal an welcher Stelle ich dich berühre, sei es am Kopf, an den Füßen oder anderswo, es durchdringt und erfasst deinen ganzen Körper, jede Faser deines Seins. Jenseits von Gedanken und Worten bist du gehalten. Es braucht einen kleinen, mutigen Schritt in das Nichtwissen, in die Hingabe an das Leben selbst. Der weiche Atem und die Präsenz im Körper hilft und ist ein fruchtbarer Boden, indem der Same gefühlter Einheit, erwacht. Hier begreifen wir plötzlich, dass wir niemals getrennt waren. Der Überlebenskampf, alte Muster und Widerstände und sogar die Angst vor dem Sterben schmilzt in das reine, fließende Leben hinein. Mehr von uns wird geboren und kommt zum Vorschein. Wir fühlen uns befreiter und ausgelassene, kindliche Freude und Kreativität will sich durch dich ausdrücken. Dein Körper mag sich selbstverständlicher, leichter, freier und entspannter bewegen. Du kannst fühlen wie dein Selbst kraftvoller und stärker wird. So ist die Berührung mit dem Leben selbst die Heilung und alles was die Wahrhaftigkeit verdeckt hat wird frei und findet in seine natürliche, klare und einfache Ordnung.
Liebe Petra, deine Reflektionen über die Qualität der Berührung gefallen mir sehr gut. An einer Stelle widerspreche ich aber gerne: Du stellst fest, dass man in den (Berufs-) Ausbildungen leider nicht gezeigt bekommt, wie man mitfühlend und achtsam und bewusst berührt.
Es gibt sie, die Ausnahmen.
Und dazu zählt auch die Massageausbildung an den Schulen für TouchLife Massage. Wir freuen uns, dass du vor 20 Jahren durch unsere Schulung gegangen bist und so vieles davon in deiner Praxis und auf deinem Lebensweg umsetzt.
Weiter so!
Boaz, vielen Dank für dein Feedback. Wie gut, dass es diese Ausnahmen gibt, das macht unser Leben reich! Ich bin sehr dankbar für den Einstieg damals in die Körperarbeit bei dir und Kali und freue mich, heute selbst einen wichtigen Beitrag leisten zu können, damit die Welt eine neue Berührungsqualität im Umgang mit sich selbst und dem Leben findet.
Alles Liebe, Petra