April 30, 2025
Ehrliches Mitteilen als Weg zur authentischen Verbindung – im Gespräch mit Boris Urlbauer
Herzlich willkommen zu deinem Podcast für transformative Körperarbeit. Hier kannst du nicht nur den Podcastfolge anhören, sondern auch das Gespräch mit Boris Urlbauer nachlesen. In dieser Episode geht es um gelingende Kommunikation – sowohl für uns selbst als auch im Kontakt mit anderen. Wir erforschen gemeinsam das Konzept des Ehrlichen Mitteilens und wie es uns sowohl persönlich als auch im Praxiskontext dabei unterstützen kann, Klarheit, Orientierung und Sicherheit zu vermitteln.
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Herzlich willkommen bei Vom Leben berührt – deinem Podcast für transformative Körperarbeit. Ich freue mich von Herzen, dass du hier bist. Ich bin Petra, international anerkannte TRAGER®-Instruktorin und Seminarleiterin für ganzheitliche Körperarbeit. Mit diesem Podcast möchte ich dich inspirieren und einladen, neue Erfahrungsräume und Perspektiven zu entdecken.
Ich freue mich sehr auf das heutige Gespräch mit meinem Gast: Boris Urlbauer. Wir haben beide die Ausbildung bei Verena König gemacht und uns im vergangenen Jahr in der Polyvagal-Akademie von Stephen Porges kennengelernt. Auch über die Ausbildung hinaus sind wir beide in einer gemeinsamen Peergroup in Kontakt, was ich als sehr bereichernd empfinde.
Boris, schön, dass du hier bist! Du arbeitest als Coach und bietest ganzheitlich-integrative und traumasensible Einzel- und Paarberatung an. Magst du dich vorstellen und berichten, wie du zum Ehrlichen Mitteilen gekommen bist und was es in deinem Leben verändert hat?
Vom Burnout zur Begegnung – wie Ehrliches Mitteilen mein Leben veränderte
Boris: Ja, hallo Petra, schön, dass du fragst.
Zunächst vielleicht zu dem Punkt, was ich derzeit gerade mache. Du hast es ja schon angesprochen, dass ich traumasensible Einzel- und Paargespräche führe, gerade für Menschen, die sich fragen, was einem glücklichen Leben im Wege steht und was das mit dem Gefühl von mangelnder Sicherheit zutun haben könnte.
Das führt mich vielleicht auch gleich zu deiner nächsten Frage, wie das Ehrliche Mitteilen in mein Leben gekommen ist. Ich war damals stark belastet, hatte ein Burnout und rutschte in eine depressive Phase. Doch ich erlaubte mir, diese Pause für eine Innenschau zu nutzen. Dabei fiel mir auf, dass ich mich zunehmend isolierte – aus großen Schutzbedürfnissen heraus. Ich suchte nach den Ursachen und stieß auf das Thema Entwicklungs- und Bindungstrauma. Ich erkannte, dass es etwas mit mir zu tun hatte.
In meiner Beschäftigung mit diesem Thema entdeckte ich das Konzept des Ehrlichen Mitteilens, das von Gopal Norbert Klein entwickelt wurde. Ich stellte fest, dass er ein Tool geschaffen hatte, das unabhängig von Therapeuten funktioniert und er hatte bereits ein breites Netzwerk lokaler Gruppen etabliert. Also suchte ich mir eine Gruppe in meiner Nähe, nahm teil und erlebte zum ersten Mal wieder echten, zwischenmenschlichen Kontakt – ohne Erklärungen, ohne Kontext, einfach nur im Moment.
Diese Erfahrung war so transformierend, dass sich ein neuer Lebensabschnitt für mich eröffnete. Ich begann mich zu fragen: Was möchte ich Sinnvolles in meinem Leben tun? Wie kann ich mich wieder in die Gesellschaft einbringen? Womit kann ich anderen dienlich sein? So wurde mir früh klar, dass ich nicht länger in der Kfz-Branche tätig sein wollte, in der ich zuvor gearbeitet hatte. Stattdessen kam die Idee auf, dass ich als Coach arbeiten könnte. So habe ich meine Ausbildung danach ausgerichtet, dass ich Menschen tief begleiten kann.
Weniger erklären, mehr fühlen – was beim echten Mitteilen geschieht
Petra: Das klingt nach einem Riesenprozess. Und was für ein Geschenk es ist! Besonders spannend fand ich deine Formulierung „kontextbefreites Mitteilen“. Vielleicht können wir kurz erklären, was man sich unter dem Ehrlichem Mitteilen vorstellen kann.
Boris: Ja, gerne. Im Ehrlichen Mitteilen gibt es drei Fragen, die man sich stellt oder in der Gruppe beantwortet: Was spüre ich im Körper? Was fühle ich emotional? Und was denkt mein Kopf?
Dieses Konzept hat mich besonders angesprochen, weil es so niedrigschwellig ist. Es braucht keine großen Erklärungen. Ich teile einfach mit, was gerade da ist – ohne Interpretationen, ohne Kontext. Selbst Grenzen teile ich einfach mit („… z.B. mein Kopf denkt, dass ich etwas gerade nicht mitteilen möchte“).
Das hat viele positive Effekte: Es wirkt regulierend, schafft Klarheit und fördert die Verbindung – sowohl mit mir selbst als auch mit anderen. Jeder bekommt eine feste Redezeit, und die Gruppe hört nur wohlwollend zu. Ich kann teilen, was mir gerade zugänglich ist – ob es die körperlichen Empfindungen sind, die Gefühle oder meine Gedanken. Und selbst wenn ich gerade nichts wahrnehme oder benennen kann, kann ich genau das mitteilen: „Mein Kopf denkt gerade, dass ich nichts spüre.“ Und selbst das schafft bereits eine Verbindung.
Petra: Es ist auch eine wunderbare Methode für den Alltag. Wenn ich mich irritiert fühle oder nicht in meiner Mitte bin, nutze ich es als Check-In, halte kurz inne und frage mich: Was spüre ich gerade im Körper? Was fühle ich? Was denkt mein Kopf? Diese einfache Struktur bringt mich sofort in den gegenwärtigen Moment und schafft eine innere Ordnung.
Boris: Was mich besonders berührt, ist, dass das Ehrliche Mitteilen die typischen unglücklichen Ping-Pong-Diskussionen beenden kann. Statt dass wir uns in einem Gespräch hin und her werfen, was richtig oder falsch ist, können wir einfach mitteilen, was gerade da ist – ohne ausagieren oder flüchten zu müssen. Das verändert die Art, wie wir kommunizieren, fundamental.
Petra: Was mich am Ehrlichen Mitteilen besonders beeindruckt, ist, dass es eine Möglichkeit bietet, etwas nachzunähren, was viele von uns in ihrer Kindheit nicht erfahren haben. Oft wurden wir nicht gefragt: „Was fühlst du?“ oder „Was brauchst du?“. Stattdessen wurden wir darauf getrimmt zu funktionieren, Erwartungen zu erfüllen und unsere eigenen Empfindungen hintanzustellen.
Diese Trennung von uns selbst führt zu einer inneren Spaltung, in der wir den Kontakt zu unseren eigenen Bedürfnissen verlieren. Das Ehrliche Mitteilen hilft uns, diesen Zugang wiederherzustellen. Es bietet einen Raum, in dem wir uns selbst zuhören können, ohne uns zu bewerten oder zu analysieren. Dadurch können wir eine ganz neue Form der Selbstverbundenheit und Selbstakzeptanz entwickeln.
Tiefer tauchen mit Diaden – Worte finden für das Unsagbare
Petra: Eine weitere wertvolle Methode zur Schulung der eigenen Fühlsprache sind Diaden. Dabei stellt eine Person eine offene Frage wie: „Bitte erzähle mir, was du mir erzählen möchtest.“ Jede Person hat etwa fünf Minuten Sprechzeit. Danach wird die Frage erneut liebevoll gestellt, falls jemand stockt.
Das geschieht in zwei bis drei Zyklen, wodurch wir immer tiefer in die Ebenen eintauchen, die sonst verborgen bleiben. Es ist ein prozessorientierter Ansatz, der uns hilft, Dinge zu benennen, die wir vielleicht noch nie zuvor in Worte gefasst haben. So entsteht eine tiefere Verbindung zu uns selbst und zu unserem Gegenüber.
Wenn Ehrlichkeit zur Erwartung wird – Stolpersteine auf dem Weg in die Verbindung
Boris: Ein häufiger Stolperstein beim Ehrlichen Mitteilen ist, wenn Menschen es als Methode nutzen wollen, um etwas zu erreichen – sei es, um andere zu manipulieren, Bestätigung zu bekommen oder sich gewünscht fühlbare Nähe zu erzwingen.
Ein Beispiel: Wenn ich das Ehrliche Mitteilen nutze, um meinem Gegenüber indirekt zu vermitteln, dass ich möchte, dass er sich anders verhält, dann ist das keine ehrliche Mitteilung mehr, sondern eine Erwartung in Tarnung. Das passiert oft unbewusst. Dann ist es aber nicht mehr die reine Praxis des Mitteilens, sondern eher ein Mittel zum Zweck. Ich bin mit meiner Erwartung (Suche) in der Zukunft und nicht mehr in der Gegenwart.
Das Ehrliche Mitteilen ist nicht dazu gedacht, um andere dazu zu bringen, auf eine bestimmte Weise zu reagieren. Es geht darum, sich authentisch auszudrücken – ganz ohne Erwartung. Das ist eine Herausforderung, aber genau darin liegt die große Chance, wahre Verbindung und Nähe (statt Distanzierung) zu schaffen.
Das Myzel der Verbundenheit – was Ehrliches Mitteilen in uns weckt
Boris: Durch das Ehrliche Mitteilen entsteht eine ganz neue Art der Verbundenheit – mit mir selbst, mit anderen und mit der Welt. Früher kam mir die Welt manchmal fremd vor, fast wie ein fremder Planet. Doch durch diese bewusste Praxis erlebe ich wieder Zugehörigkeit – als wäre ich ein Teil von Mutter Erde. Diese Erfahrung erinnert mich an das Myzelium im Wald, das unsichtbar alles miteinander verbindet.
Wenn Wut zur Brücke wird – gelebte Nähe in der Partnerschaft
Petra: Hast du ein Beispiel aus dem Alltag, vielleicht aus einer Paarbeziehung?
Boris: Ja, ein sehr ergreifendes Beispiel: Ich war einmal sehr wütend, konnte diese Wut aber gleichzeitig schon ein Stück weit beobachten. Ich reflektierte für mich, dass diese Emotion nichts mit meiner Frau zu tun hatte, sondern ein Echo aus der Vergangenheit war. Sie spürte jedoch meine Wut und nahm zunächst an, dass sie auf sie bezogen war.
Dann hielten wir kurz inne. Ich sagte: „Ich spüre eine starke Hitze in meinem Körper. Ich fühle eine rasende Wut. Mein Kopf denkt, dass das nichts mit dir zu tun hat.“ Das hat sofort Klarheit geschaffen. Meine Frau konnte daraufhin sagen: „Ich spüre gerade die Spannung in meinem Körper. Mein Kopf denkt, dass ich dich gerne in den Arm nehmen möchte.“ Und genau das geschah dann.
Durch das Zulassen der starken Körperreaktionen (Hitze, Kontraktion etc.), sowie dem Ehrliche Mitteilen konnte die Wut abfließen, ohne eskalieren zu müssen. Ich brauchte nicht mehr wegzurennen oder Aggressionen körperlich abzubauen – es reichte, den Prozess zu beobachten und sich gegenseitig beizustehen und durch meine Frau Co-Regulation zu erfahren.
Ein Gespräch, das nachklingt – und dich einlädt, tiefer zu lauschen
Petra: Danke, dass du deine Erfahrungen mit uns geteilt hast, Boris. Das war eine sehr inspirierende und tiefgehende Unterhaltung. Ich hoffe, dass unsere Zuhörerinnen und Zuhörer viel daraus mitnehmen konnten.
Boris: Danke dir, Petra. Es war mir eine Freude.
Petra: Das war unser Gespräch über Ehrliches Mitteilen. Ich hoffe, es hat dich inspiriert. Wenn du mehr über meine Arbeit erfahren möchtest, besuche meine Webseite oder abonniere meinen Resonanzletter. Danke, dass du dabei warst. Bis zum nächsten Mal bei „Vom Leben berührt“! ✨
Links
Kontakt zu Boris Urlbauer & weitere Informationen:
kontakt@verbundenheit.net
www.verbundenheit.net
- Die Seite vom Erfinder: Gopal Norbert Klein
- Gopal Norbert Klein auf YouTube
- Seite für EM-Interessierte
- Hilfreiches Online-Quiz zum Ehrlichen Mitteilen als tolle Übung
Buchempfehlung: „Der Vagusschlüssel zur Traumaheilung“ von Gopal Norbert Klein
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